Wort der Woche

Krieg im Netz

Der Tech Cold War zwischen USA und China nimmt an Intensität zu. Gerungen wird um nichts weniger als um die Vorherrschaft in der Welt. Und wo bleibt Europa?

In China tagt derzeit – wie alle Jahre – der Volkskongress. Die rund 3000 Abgeordneten werden den 14. Fünfjahresplan beschließen, mit dem die Modernisierung und die wirtschaftliche Autonomie des 1,4-Mrd.-Einwohner-Landes vorangetrieben werden sollen. „Wir werden unsere Wissenschaft und Technologie stärken, um die Entwicklung Chinas strategisch zu unterstützen“, erläuterte Regierungschef Li Keqiang schon im Vorfeld. Die Forschungsausgaben sollen demnach jährlich um mehr als sieben Prozent steigen, definiert wurden acht Zukunftstechnologien, in die diese Mittel vorrangig fließen sollen: künstliche Intelligenz (KI) und 5G-Netze, Biotechnologie, High-End-Fertigungstechnologien, neue Energietechnologien, neue Materialien, smarte Fahrzeuge, „grüne“ Technologien und kreative Digitalprodukte.

Szenenwechsel: Dieser Tage veröffentlichte die höchstrangig besetzte „National Security Commission on Artificial Intelligence“ unter Vorsitz von Ex-Google-Chef Eric Schmidt einen Bericht, wie die USA mit (militärischen und zivilen) Bedrohungen durch KI umgehen und die Chancen bestmöglich nutzen kann. In der 756 Seiten starken, im Auftrag des US-Kongresses erstellten Studie werden massive Investitionen in KI, Hardware und die besten Köpfe empfohlen, um schlagkräftiger und unabhängig vom Ausland zu werden. Da KI kein Selbstzweck, sondern eine Voraussetzung für Fortschritte in vielen Bereichen ist, wurde gleich auch eine Liste von Schlüsseltechnologien mitgeliefert, die in einer Nationalen Technologie-Strategie ebenfalls forciert werden sollten: Elektronik, Biotechnologie, Quantencomputer, Robotik und autonome Systeme, 5G-Netze, fortgeschrittene Fertigungstechnologien und Energiesysteme (www.nscai.gov).

Unübersehbar ist, dass sich die Listen der USA und Chinas über weite Strecken decken. Das zeigt deutlich, dass der „Tech Cold War“, der seit einigen Jahren zwischen den beiden Mächten herrscht, schärfer wird – unabhängig davon, wer in Washington Präsident ist. Es geht um nichts weniger als um die Vorherrschaft in der Welt: Vordergründig betrifft dies Technologien, doch diese sind in der Folge mitentscheidend für die wirtschaftliche, geopolitische und militärische Position in der Welt.

Für Europa ist das alarmierend: Ohne entschiedene Maßnahmen zu Stärkung der technologischen Entwicklung drohen wir bei diesem Rennen endgültig ins Hintertreffen zu geraten. Eine Kürzung der EU-Forschungsmittel – wie jüngst geschehen – ist da sicher nicht der richtige Weg. ⫻


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2021)

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