Die 16-jährige Kelvia Andrea Goncalves trauert mit ihrer Tante beim Begräbnis um ihre Mutter, die im Alter von 39 Jahren in einem Spital in Manaus am Coronavirus gestorben ist.
Südamerika

Das brasil­ianische Corona­desaster

Im größten Land Lateinamerikas breitet sich das Coronavirus durch eine Mutante massiv aus. Vielerorts steht das Gesundheitssystem vor dem Kollaps – und Präsident Jair Bolsonaro unterspielt weiterhin die Gefahr.

Ende Oktober konnte Ester Sabino noch Hoffnung verbreiten. „Die Sterbefälle in Manaus gingen außergewöhnlich rasch zurück“, schrieb damals die Professorin für Tropenmedizin an der Universität von São Paulo. Nach einem heftigen und fast ungebremsten Covid-Ausbruch im April und Mai schien die isolierte Hauptstadt des Bundesstaats Amazonas binnen weniger Monate die Herdenimmunität erreicht zu haben. Drei von vier Blutspenden hatten Antikörper gegen das Virus in sich. Darum gingen die Forscher davon aus, dass drei Viertel der zwei Millionen Einwohner nun Antikörper gebildet hatten und sich nicht erneut damit anstecken würden. „Wir glauben, das Problem hat sich erledigt“, schrieb die Forschungsleiterin.

Doch noch während die Fachwelt Sabinos Manaus-Studie analysierte, begann im Amazonas-Gebiet eine zweite Covid-Welle, die Mitte Jänner katastrophale Ausmaße annahm, als in den überfüllten Kliniken der Sauerstoff ausging und die Ärzte entscheiden mussten, wer noch weiteratmen durfte und wer nicht. Entweder war die Herdenimmunität doch nicht erreicht worden. Oder sie bot nicht den erwarteten Schutz.

Zweite Welle in Manaus. Vorige Woche nun präsentierte die Professorin aus São Paulo gemeinsam mit Forschern der Oxford-Universität und dem britischen Imperial College die Erklärung dieser zweiten Welle in Manaus: In der Amazonas-Stadt hat sich offenbar Anfang November eine Variante von Sars-CoV-2 gebildet, die wesentlich ansteckender war als das ursprüngliche Virus – und die offenbar bestehende Abwehrkräfte umgehen kann. Ein „Virus of Concern“, ähnlich bedrohlich wie die in Europa zirkulierenden Mutationen aus Südengland und Südafrika. Die Forscher schätzen, dass die „P 1“genannte Variante zwischen 1,4- und 2,2-mal leichter übertragbar ist als das Ursprungsvirus. Zudem registrierten die Wissenschaftler eine höhere Letalität. Aber, so die Studie, noch sei nicht klar, ob diese auf die neue Variante zurückzuführen sei oder auf den Zusammenbruch des Gesundheitssystems in Manaus.

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