Frauentag II.

Feministische (Über-)Forderungen

85 Prozent der durch das Coronavirus bedingten Arbeitslosen sind weiblich.
85 Prozent der durch das Coronavirus bedingten Arbeitslosen sind weiblich.(c) imago images/Michael Weber (Michael Weber IMAGEPOWER via www.imago-images.de)
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Zur Aktualität des Frauenvolksbegehrens aus 2018 vor, während und nach der Corona-Pandemie.

Vor zweieinhalb Jahren unterzeichnete knapp eine halbe Million Menschen das neue Frauenvolksbegehren. Ein gutes Ergebnis für ein solch leidiges, bisweilen lästiges Thema wie Gleichberechtigung. Haben wir diese nicht schon erreicht? Die notorische Antwort lautet: Nein, noch lang nicht. Weder im Recht noch in der Realität. In allen gesellschaftlichen Bereichen sind Frauen Männern untergeordnet; Frauen verdienen weniger, sind in Entscheidungspositionen in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert, ihnen wird weniger Öffentlichkeit gegeben, vor Gericht weniger Glauben geschenkt, sie werden in Kultur und Alltag häufiger gedemütigt, beschämt, sexuell belästigt und vergewaltigt. Krisenunabhängig.

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Covid-Arbeitslose sind Frauen

85 Prozent der durch das Coronavirus bedingten Arbeitslosen sind weiblich. Das ist kein Zufall, sind doch Frauen zumeist teilzeitbeschäftigt, noch dazu arbeiten sie verstärkt in durch den Lockdown betroffenen Branchen: Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus, Pflege usw. Sie verdienen meistens weniger als ihre Partner, wodurch sie eher auf die Erwerbsarbeit für das Familienwohl verzichten. „Arbeit teilen“ ist eine der Forderungen des Frauenvolksbegehrens: Eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche. Es ist anzunehmen, dass durch die Frauenerwerbsarbeitslosigkeit und Mehrfachbelastung durch die Coronakrise der Gender-Pay-Gap seit Langem wieder größer wird. Eine Forderung war und ist daher „Geld teilen“: Ergreifen konkreter Maßnahmen zum Abbau geschlechtsspezifischer Einkommensunterschiede wie Lohntransparenz und Entdiskriminierung von Lohnsystemen. Das heißt auch allen voran „systemerhaltende“ Arbeit neu und höher zu bewerten. So müssten Frauen nicht aus finanziellen Gründen die unbezahlte Arbeit übernehmen, hätten mehr Handlungsfreiheit und müssten im Alter auch nicht in Altersarmut leben. Wären diese Abhängigkeiten nicht gegeben, würden sich viele Frauen eher von ihren gewalttätigen Partnern trennen, womit wir beim nächsten Thema sind: Gewalt gegen Frauen. Schon vor der Pandemie hat ein Drittel der Frauen sexuelle Gewalt im Erwachsenenalter erfahren, etwa drei Viertel erinnern Gewalt in der Kindheit. Männliche Gewalt durchdringt unsere Gesellschaft. Reflexion und Kritik von Vorstellungen vom starken und schwachen Geschlecht müssen Erziehungsprinzip werden, die Familie als Hort der Gewalt muss gesellschaftlich enttabuisiert, Gewaltschutzinitiativen und Frauenhäuser nachhaltig finanziert werden – eine weitere Forderung des Frauenvolksbegehrens.

Als Frau (ob cis, trans oder nicht-binär) oder auch Mann, der sich in einer „weiblichen“ Situation befindet, zu leben ist 2021 besonders überfordernd. Seit März 2020 leben viele Frauen unverschuldet die ihnen von der Gesellschaft zugewiesene traditionelle Rolle als umsorgende, unbezahlte Reinigungs- und Lehrkraft, zudem mühen sie sich um Zuverdienst. Gegen die Tradition anzukommen ist schwierig. Der Unmut ist dennoch groß, zugleich der Wunsch nach Wandel von Normen und Strukturen, um Vielfalt in Gleichheit leben zu können. Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens wären eine Vorlage, demokratisch legitimiert und höchst an der Zeit.

MMag.a Dr.in Magdalena Baran-Szołtys (35) ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin am Research Center for the History of Transformations (RECET) der Uni Wien und Vorstand des Frauenvolksbegehrens. Christian Berger (29), BA MSc, ist Sozioökonom, Lektor an der WU Wien, arbeitet in der AK Wien und war Bevollmächtigter des Frauenvolksbegehrens. // Mehr zu den Forderungen des Frauenvolksbegehrens und feministischen Aktivismus finden Sie im Buch „Über Forderungen“ (Baran-Szołtys, Berger; Kremayr & Scheriau 2020)

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2021)

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