Lenzing belastet Hygiene-Austria-Miteigentümer Palmers schwer: Man habe keinen Zugang zu notwendigen Unterlagen erhalten. Eine Aufklärung sei daher nicht möglich. Palmers zeigt sich von dem Schritt überrascht.
Bei der Hygiene Austria, einem Joint Venture von Palmers und Lenzing, ist es jetzt wegen des Maskenskandals zum offenen Bruch zwischen den beiden Eigentümern gekommen. Der börsennotierte Faserhersteller Lenzing hat heute bekanntgegeben, seine beiden Geschäftsführer zurückzuziehen beziehungsweise abzuberufen. Als Grund wird genannt, dass man keinen vollständigen Zugang zu wichtigen Unterlagen erhalten habe. Daher sei man außerstande, die operative Geschäftsführung auszuüben.
Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung zurückgerufen
Mit sofortiger Wirkung werde die Nominierung von Stephan Sielaff als Geschäftsführer der Hygiene Austria zurückgezogen und Stephan Trubrich werde als Geschäftsführer abberufen. Ein ehestmöglich von Lenzing zu bestimmender Wirtschaftstreuhänder werde mit der Verwaltung der Lenzing-Anteile an Hygiene Austria betraut. Im Vorstand der Lenzing AG werde künftig ausschließlich Sielaff für alle Agenden betreffend der Beteiligung an der Hygiene Austria zuständig sein.
Damit bleibt in der Geschäftsführung der Hygiene Austria nur noch
Tino Wieser, der auch dem Vorstand des
Hygiene-Austria-Minderheitseigentümers Palmers Textil AG angehört.
Sein Verwandtschaftsverhältnis zur Büroleiterin von Bundeskanzler
Sebastian Kurz (ÖVP), die mit seinem Bruder Palmers-Vorstand Luca
Wieser verheiratet ist, ist in den letzten Tagen im Zuge der
innenpolitischen Turbulenzen rund um den Maskenskandal thematisiert
worden.
Kein Zugriff auf notwendige Unterlagen
Die zur Aufarbeitung der Vorgänge notwendigen Unterlagen befänden sich großteils in den Räumen von Palmers, zu denen Lenzing „weder Zutritt noch Zugriff” bekommen habe. „Trotz intensivstem Ressourceneinsatz seitens Lenzing war die dringend erforderliche rasche Aufklärung mit belastbaren Resultaten ebenso wenig möglich, wie die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung. Lenzing sieht daher die Aufarbeitung der aktuellen Vorwürfe bei den zuständigen Behörden. Dabei wird Lenzing nach besten Kräften unterstützen”, heißt es in der Aussendung von Montagnachmittag.
Palmers zeigt sich überrascht
„Zu keiner Zeit hat Palmers die Aufklärung der Untersuchung
behindert oder Unterlagen zurückgehalten", heißt es in einem
Palmers-Statement vom Montag. Die Unterlagen seien im Rahmen der
Hausdurchsuchung am 2. März den Behörden übergeben worden. Darüber
hinaus seien alle Unterlagen immer auch den von Lenzing gestellten
Geschäftsführern vorgelegen, „da immer nur beide Geschäftsführer
wirksam für Hygiene Austria LP GmbH zeichnen konnten".
Allerdings hätten Lenzing und Palmers vergangenes Wochenende über
eine Übernahme der Lenzing-Anteile an der Hygiene Austria durch
Palmers verhandelt. Die Verhandlungen seien derzeit noch nicht
abgeschlossen, heißt es vom Unternehmen. Dem verbleibenden Hygiene
Austria-Chef Tino Wieser sei es ein Anliegen „sämtliche Vorwürfe
hinsichtlich der behaupteten Mängel" aufzuklären.
Lenzing fordert „schonungslose Aufklärung”
Das Projekt Hygiene Austria sei von Lenzing mitgegründet worden,
um mit österreichischer Qualität einen wichtigen Beitrag zum Schutz
der Bevölkerung in der größten Pandemie der letzten hundert Jahre
leisten zu können, heißt es weiter in der Lenzing-Aussendung. „Das
Versprechen "Made in Austria" wurde offensichtlich nicht durchgehend
gewährleistet. Eine umfassende und schonungslose Aufklärung ist
daher unabdingbar."
An der im Frühjahr 2020 zur Maskenproduktion gegründeten Hygiene Austria hält die Lenzing AG 50,1 Prozent, die Palmers Textil AG 49,9 Prozent. Das in Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) ansässige Unternehmen hatte eingeräumt, dass ein Teil der als „Made in Austria” vermarkteten Masken in China zugekauft wurde.
(APA)