Dokumentarfilm: Familienaufstellung im Hause Harlan

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"Harlan - Im Schatten von Jud Süß" spürt Veit Harlans Erbe nach. Felix Moeller, Dokumentarist und historischer Berater, holt alle lebenden Mitglieder des Harlan-Clans vor die Kamera und befragt sie.

„Der Film hat unser Leben zerstört“, sagte 1973 Kristina Söderbaum, die Hauptdarstellerin des antisemitischen NS-Propagandafilms Jud Süß (1940). Mit „uns“ meinte sie nicht nur ihren Gatten, Jud Süß-Regisseur Veit Harlan, sondern auch die erweiterte Familie: die Kinder aus seiner zweiten und dritten Ehe und deren Kindeskinder. (Harlan war erst kinderlos mit der im KZ umgekommenen jüdischen Sängerin Dora Gerson verheiratet, dann mit Schauspielerin Hilde Körber, zuletzt mit Söderbaum.)

Alle lebenden Mitglieder des Harlan-Clans holt Felix Moeller, Dokumentarist und historischer Berater (bei Filmen wie Rosenstraße und Napola) für seine Dokumentation Harlan – Im Schatten von Jud Süß vor die Kamera und befragt sie. Die Meinungen über ihren Verwandten und seinen Film sind geteilt: Opa? Künstler? Mittäter?

Die intelligentesten Äußerungen liefert Sohn Thomas Harlan, der sich als Schreiber und Filmemacher die Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen zur Lebensaufgabe gemacht hat und in dessen bewusster Abgrenzung zum Vater doch ein inniges Verhältnis spürbar ist. Die anderen Beiträge sind meist weniger substanziell, reichen oft ins bloß Anekdotische (Harlan-Enkelin Christiane Kubrick erzählt, wie ihr Mann Stanley ein Glas Wodka trank, bevor er die Sippe traf.).

Moellers Ambitionen sind bescheiden: Privataufnahmen, Filmausschnitte, sparsamer, sachlicher Erzählkommentar – nur auf Berieselungsmusik wird nicht verzichtet – dienen der Einbettung der Historie in eine Familienaufstellung mit widersprüchlichen Positionen. Der andere Großvater einer Enkelin von Veit wurde vom NS-Regime ermordet. „Der eine hat Propaganda für die Vernichtung des anderen gemacht?“, fragt Moeller. Antwort: „Ja, so kann man das sagen“. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2010)

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