Führungsfehler

Der tägliche Wahnsinn

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Kolumne „Führungsfehler“. Hotline-Mitarbeiter brauchen eine dicke Haut. Geradezu elefantös muss die der Mitarbeiter jener Agentur sein, die Corona Hilfsgelder abwickelt.

Sind Sie gestresst? Überlastet? Verzweifelt?  

Manchmal hilft es zu wissen, dass andere noch gestresster, überlasteter und verzweifelter sind als man selbst. Von einem Insider stammt die folgende Typologie der Anrufer bei der Hotline einer Agentur, die Corona-Hilfsgelder abwickelt. Nach dem Lesen werden Sie sich dankbar wieder Ihrem eigenen täglichen Wahnsinn zuwenden.

Vorbemerkung: Es hieß, dass die Corona-Hildsgelder einfach und unbürokratisch zu beantragen sind und schnell ausbezahlt werden.

Typ 1: Der Ahnungslose
"Was muss ich beantragen, damit ich möglichst viel bekomme?" Antwort: "Das kann Ihnen die Hotline nicht beantworten. Wenden Sie sich an Ihren Steuerberater.“

Typ 2: Der Überforderte
"Wie geht das? Wo muss ich einloggen? Was muss ich klicken?" Glücksache: Manche Hotline-Mitarbeiter geben tatsächlich technische Hilfe, auch wenn sie das nicht dürften. Andere verweisen – siehe oben – auf den Steuerberater.

Typ 3: Der Nervöse
"Haben Sie meinen Antrag schon bearbeitet?"
Manche rufen fünf Minuten nach dem Absenden an. Andere warten seit November, ihr Antrag ist irgendwo hängengeblieben. So oder so, den Mitarbeitern an der Hotline sind die Hände gebunden. Sie können nur die Urgenz notieren. Und bekommen den Ärger ab.  

Typ 4: Der Informierte
"Im Fernsehen hat es geheißen, … (hier beliebige Ankündigung einfügen).“
Ja, hat es geheißen. Leider gibt es noch kein Gesetz oder keine Verordnung dazu. Oder es steht etwas anderes drinnen als es geheißen hat. Den Unmut bekommen die Hotline-Mitarbeiter ab.

Typ 5: Der Verzweifelte
"Meine Gläubiger drohen mit Insolvenzantrag!" Es folgt eine rührselige Story, die sich auf jeder Bühne gut machen würde.
Hilft leider nichts. Die Hotline-Mitarbeiter bearbeiten den Fall nicht, sie können ihn sich nur anhören. Währenddessen steigt die Zahl der Anrufer in der Warteschlange.

Typ 6: Der komplizierte Fall
Hotline: "Ja, das ist in Arbeit. Wir warten noch auf das Gutachten."
Anrufer: "Gutachten? Welches Gutachten? Es hat geheißen SCHNELL und UNBÜROKRATISCH!" 

Typ 7: Der Schlampige
Anrufer: "Wo ist das Geld? Es hat geheißen, es kommt!"
Hotline: "Haben Sie schon auf dem Kontoauszug nachgesehen?" "Sicher, letzten Monat. Wissen Sie, ich hole die Auszüge nur einmal im Monat von der Bank..."
Alternativ: "Ja, das wurde wie beantragt direkt auf Ihr Kontokorrentkreditkonto überwiesen, die Bank hat vorfinanziert..." "Wieso steckt die Bank MEIN Geld ein?" Der Hotline-Mitarbeiter kann nur auf die Abdeckung der Zwischenfinanzierung verweisen. Auch wenn der Anrufer das nicht verstehen will. 

Typ 8: Der Verwirrte
"So wenig? Mein Verlust ist aber viel größer!" Nach Ihrer Steuererklärung eigentlich nicht... 

Typ 9: Der Pechvogel
Ja, es gibt sie: Manche Antragsteller fallen tatsächlich durch das Netz und bekommen wegen unglücklicher Umstände nichts. Sie sind entsprechend wütend/aufgebracht/verzweifelt. Wer das wohl abbekommt?

Typ 10: Der Glückspilz
Es gibt auch solche, die mehr bekommen als sie durch ihre Arbeit verdienen würden. Sie verhalten sich natürlich still. Andere, die das wissen und selbst weniger bekommen als erhofft, regen sich umso lauter auf. Bei wem wohl?

Nun, kommt Ihnen Ihr eigener täglicher Wahnsinn jetzt noch schlimm vor?

Und werden Sie bei Mitarbeitern jeglicher Hotline künftig nachsichtiger sein?

Das Management. Unendliche Möglichkeiten für Führungsfehler im engeren Sinn (Mitarbeiterführung) und im weiteren (Organisationsführung). Wenn Sie einen Führungsfehler loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com

Ähnlichkeiten mit realen Personen und Organisationen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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