Wiener Ansichten

Michaelerplatz: Eine einzige Bronzetafel – und so viel Geschichte

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Wo man die „Frauen Österreichs für ihr heldenhaftes Wirken“ ehrt: eine Nachschau nächst der Wiener Hofburg.

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Gebrüder Schuhmann
Anonym

Wie unsichtbar das augenscheinlich Sichtbarste sein kann, davon war an dieser Stelle schon oft die Rede. Meine jüngste Selbsterfahrung: eine auffallend massive Bronzetafel an der Außenwand der Michaelerkirche, die mir dennoch bis vor Kurzem nie aufgefallen war. Auffällig auch ihr Gegenstand: „Ehre und Dank“ wird da „den Frauen Österreichs“ gezollt – und zwar „für ihr heldenhaftes Wirken im Weltkriege 1914–1918“.
Nun lässt sich gewiss rund um Ge- und Missbrauch des Heldenbegriffs gar hitzig disputieren. Und ob es im Licht so grundsätzlicher Fragwürdigkeit sinnvoll ist, dass gegenwärtig das Haus der Geschichte Namen verdienstvoller Frauen ausgerechnet unter #platzfürheldinnen sammelt, in Anspielung auf den einschlägigen Männerüberhang (und die eigene Adresse), kann bestritten werden. Jene Tafel an der Michaelerkirche freilich datiert aus Tagen, die deutlich vor solchen Geschlechterdebatten liegen. Wie also mag's dazu gekommen sein?
Erste Recherchen wie auch das Online-Kulturgüterregister der Stadt förderten nichts Triftiges zutage. Erst ein Blick ins Zeitungsarchiv (anno.onb.ac.at) half weiter. Da fand sich der Hinweis, nämliches „Frauenehrenmal“ solle im Zuge einer „großen Wiedersehensfeier“ für Weltkrieg-Eins-Veteranen enthüllt werden – veranstaltet 20 Jahre nach Weltkriegsbeginn, im Juli 1934 also. Galionsfigur des Unterfangens: Josef Wächter, vormals hochrangiger k. u. k. Offizier, danach Kurzzeit-Heeresminister der Ersten Republik.
Von tatsächlicher Enthüllung wie stattgehabter Feier fehlt freilich jede Spur. Im Juli 1934 lag denn auch Dringlicheres vor – der Putschversuch der Nationalsozialisten nämlich. An deren Spitze neben anderen: Otto Wächter, seit 1930 NSDAP-Mitglied – und Sohn des Josef Wächter.
Eine einzige Bronzetafel – und so viel Geschichte. Doch da ist noch mehr. Näheres demnächst.

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