EU-Reform in Rekordzeit

PK EDTSTADLER ZUM THEMA 'BUNDESSTAATSANWALT'
PK EDTSTADLER ZUM THEMA 'BUNDESSTAATSANWALT'APA/HELMUT FOHRINGER
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Monatelang wurde um den Vorsitz gestritten – jetzt soll die breit angelegte Debatte innerhalb eines Jahres zu Ergebnissen führen.

Für einen Diskussionsprozess dieser Tragweite ist der Zeitrahmen knapp gewählt: Die am gestrigen Mittwoch aus der Taufe gehobene Zukunftskonferenz, an der EU-Bürger zur Beteiligung aufgerufen sind, soll schon im ersten Halbjahr 2022 konkrete Vorschläge für eine EU-Reform bringen. Das ist – gelinde gesagt – ambitioniert, verspätete sich doch schon der Startschuss für die Konferenz um ein volles Jahr – und das nicht nur wegen der Coronapandemie. Die vergangenen Monate stritten Europaparlament und Mitgliedstaaten über die Ausgestaltung des Reformprozesses.

Schließlich einigte man sich auf eine dreigeteilte Führung aus Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten – eine entsprechende Vereinbarung wurde gestern von Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Parlamentspräsident David Sassoli und Portugals Premier, António Costa, als Vertreter der Mitgliedstaaten (sein Land hat derzeit den Ratsvorsitz inne) in Brüssel unterzeichnet. Die ersten Veranstaltungen finden freilich online statt, eine digitale Plattform der Kommission für Bürgerdialoge dürfte schon in wenigen Wochen einsetzbar sein.

„Ergebnisoffene Debatte in ganz Europa"

Doch was kann man von der Konferenz erwarten? „Die Zukunftskonferenz soll ein öffentliches Diskussionsforum schaffen und eine ergebnisoffene Debatte in ganz Europa ermöglichen“, meint Europaministerin Karoline Edtstadler. Konkrete Zielsetzungen gibt es also nicht. Aus dem Büro der ÖVP-Politikerin heißt es aber auf „Presse“-Anfrage, dass seit vergangenem Juni sogenannte Österreich-Dialoge zu bestimmten EU-Themen unter interessierten Bürgern online stattfinden. Auch mit Stakeholdern führe die Ministerin regelmäßig Gespräche – gestern etwa zum Thema „Innovative Ideen im Gesundheitssektor“.

Konkret will Edtstadler die Idee der „Europa-Gemeinderäte“ in die europäische Reformkonferenz einbringen; eine Initiative, die es bereits seit 2010 gibt: In jeder Gemeinde soll ein nur für die EU zuständiger Gemeinderat sitzen. Bei monatlichen „Online-Räten“ können die jeweiligen Wünsche und Sorgen angesprochen werden. „Die EU ist nicht in Straßburg oder Brüssel, sondern beginnt in den Gemeinden und Regionen“, betont Edtstadler. Dass am Ende der Konferenz große EU-Vertragsänderungen stehen, glaubt in Brüssel dagegen niemand. Zwar will man dem Ergebnis offiziell nicht vorgreifen. In vielen Mitgliedstaaten aber gibt es nach der mühsamen Ratifizierung des derzeit geltenden Lissabon-Vertrags dagegen etliche Vorbehalte.


Nichtsdestoweniger begrüßt die EU-Bevölkerung die Möglichkeit zur Mitsprache laut einer Eurobarometer-Umfrage: 92 Prozent der über 27.000 Befragten sprechen sich dafür aus, dass die Bürger bei der Entscheidung über die Zukunft Europas mehr einbezogen werden. (In Österreich sind mit 76 Prozent vergleichsweise wenige dieser Ansicht.) Drei Viertel der Europäer glauben zudem, dass die Reformkonferenz positive Auswirkungen auf die Demokratie in der EU haben wird. Offiziell startet die Zukunftskonferenz am 9. Mai. Schon ein Jahr später, wenn der breite Dialog – dann unter französischer Ratspräsidentschaft – in konkrete Vorschläge gegossen werden soll, wird sich zeigen, ob sie recht behalten.

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