Energie

Über den Wolken soll die Freiheit bald CO2-frei sein

Auch Kleinflugzeuge könnten in der Struktur verbaute Batterien nutzen: hier das Konzept eines 20-Sitzers.
Auch Kleinflugzeuge könnten in der Struktur verbaute Batterien nutzen: hier das Konzept eines 20-Sitzers.[ Pipistrel ]
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Damit die Klimabilanz der Europäischen Union bis 2050 stimmt, sollen auch Flugzeuge vermehrt mit nachhaltigen Energieformen betrieben werden. In einem kürzlich gestarteten EU-Projekt untersuchen Forscher, ob und wie sich – nachhaltig befüllte – Batterien in Bauteile integrieren lassen.

Europa soll – als erster Kontinent – bis 2050 klimaneutral werden, dazu müssen die CO2-Emissionen in allen Bereichen deutlich sinken. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 ausgerufene europäische Green Deal passt zur Vision für die Luftfahrt, wie sie Forscher am Austrian Institute of Technology (AIT) seit Jahresbeginn im Forschungsprojekt „Solifly“ verfolgen. Gemeinsam mit einem europäischen Konsortium soll es gelingen, Batterien in Flugzeugbauteile zu integrieren, die einerseits statischen und dynamischen Belastungen standhalten und andererseits elektrische Energie speichern. Hier steht die Forschung noch am Anfang, das Projekt ist als erster Test der Konzepte auf Flugtauglichkeit gedacht.

Batterie im Innenraum verbaut

„Wir entwickeln zunächst Konzepte, um Strukturelement und Energiespeicher zu verbinden, und optimieren diese mithilfe von Computermodellen. Nach Tests an einzelnen Zellen demonstrieren wir am Prüfstand ihre mechanische und elektrische Funktionalität und Belastbarkeit in einem 80 mal 40 Zentimeter großen Bauteil“, schildert Projektleiter Helmut Kühnelt vom AIT das geplante Vorgehen im von der Europäischen Kommission geförderten Projekt.

Aktuell geht es um multifunktionale Strukturbauteile für Innenelemente wie die Böden oder Decken von Flugzeugkabinen. Darin verbaute Batterieelemente würden vor dem Start mit Strom aus nachhaltigen Energiequellen, also Sonne, Wind oder Wasserkraft, geladen und könnten von da aus etwa die Kabinenbeleuchtung oder -kommunikation speisen. Um ein Flugzeug anzutreiben, dürften sie sich noch nicht eignen: Im elektrifizierten Flugzeug werde es aber künftig vermutlich ohnehin nicht nur eine einzige Speicherlösung geben, sondern ein hybrides System, das auf unterschiedliche Energiequellen zugreift, sagt Kühnelt.

Die Wissenschaftler verfolgen zwei technische Konzepte, beide basieren auf sogenannten Semi-Solid-State-Batterien, bei denen der Elektrolyt aus einer festen Matrix mit eingebetteter flüssiger Phase mit hoher Ionenleitfähigkeit besteht. Einerseits wollen sie Karbonfasern mit Material beschichten, das Energie speichert, andererseits wollen sie dünne Batteriezellen in der Struktur des Karbonverbunds mitverbauen. Es sei ein offenes Spiel, welches Konzept sich bewährt, sagt Kühnelt. Im Idealfall wohl beide.

Die Ansprüche sind jedenfalls groß: „Batterien für die Luftfahrt brauchen eine sehr hohe Energiedichte und müssen höchsten Sicherheitsstandards genügen“, erläutert Kühnelt. Damit das gelingt, fließen die Anforderungen und Wünsche der Flugzeugindustrie von Anfang an mit ein. Auch wenn mit den beiden Luftfahrtforschungszentren Onera (Frankreich) und Cira (Italien), den Unis Wien und Neapel und dem Unternehmen Customcells renommierte Partner mit an Bord sind, bleibt die Herausforderung: Noch sei man bei Semi-Solid-State-Batterien von der Marktreife weit entfernt, so Kühnelt.

Aber warum starten die Entwicklungen in der Luftfahrt erst jetzt, da auf Europas Straßen etwa E-Autos längst unterwegs sind? Flugzeuge seien heute bereits weit energieeffizienter unterwegs als noch vor 20 Jahren, erklärt Kühnelt. Um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, wolle die EU nun die Entwicklung innovativer Antriebssysteme vorantreiben. Hier gebe es unzählige offene Fragen. Eventuell gelingt es ja im Forschungsprojekt „Solifly“ in den kommenden drei Jahren, zumindest einige Antworten für die Energieversorgung zu liefern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2021)

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