"Ungleichheiten"

Sechs Regierungschefs fordern EU-Gespräche zu Impfstoffverteilung

EU-Ratspräsident Charles Michel
EU-Ratspräsident Charles MichelAPA/AFP/POOL/ARIS OIKONOMOU
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Das derzeitige System würde "bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen", schrieben die Regierungschefs von Österreich, Bulgarien, Lettland, Slowenien und Tschechien.

Sechs EU-Länder fordern hochrangige Gespräche in der Europäischen Union über eine gerechtere Verteilung der Corona-Impfdosen. Das derzeitige Bestellsystem würde sonst "bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen", schrieben die Regierungschefs von Österreich, Bulgarien, Lettland, Slowenien und Tschechien an EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Kroatien schloss sich am Samstag dem Vorstoß an.

In dem Brief an die EU-Spitzen kritisierten Kurz und seine Amtskollegen Andrej Babis (Tschechien), Janez Jansa (Slowenien), Bojko Borissow (Bulgarien), Krisjanis Karins (Lettland) und Andrej Plenkovic (Kroatien), dass die "Lieferung von Impfstoffen durch Pharmaunternehmen an einzelne EU-Mitgliedstaaten nicht auf gleicher Basis" erfolge. Im Falle einer andauernden ungleichen Impfstoffverteilung in der EU drohe eine Verschärfung der "Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten bis zum Sommer", heißt es in dem Schreiben. Einige Mitgliedstaaten würden dadurch in die Lage versetzt, binnen weniger Wochen Herdenimmunität zu erreichen, "während andere weit hinterherhinken".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Freitag beklagt, dass Impfdosen nicht anteilig unter den EU-Staaten aufgeteilt werden, sondern dass zusätzliche Lieferverträge durch nicht transparente Verhandlungen in einer EU-Steuerungsgruppe zustande kämen. Nach Angaben der EU-Kommission kann es zu Verschiebungen kommen, wenn nicht alle Länder gemäß ihrem Anteil bestellen. Nicht genutzte Kontingente könnten dann unter anderen Mitgliedstaaten aufgeteilt werden.

"Wir fordern Dich daher auf, Charles“

Laut Kurz haben zum Beispiel die Niederlande und Dänemark Zugang zu wesentlich mehr Impfstoff pro Kopf als Länder wie Bulgarien oder Kroatien. Die sechs Regierungschefs kritisierten in dem vorliegenden Schreiben, dass die derzeitige Praxis der EU-Vereinbarung über eine anteilige Verteilung widerspreche. "Wir fordern Dich daher auf, Charles, so bald wie möglich eine Diskussion unter Staats-und Regierungschefs abzuhalten", schrieben sie.

Die Niederlande und Malta wiesen die Wiener Vorwürfe zurück. Maltas Gesundheitsminister Chris Fearne sagte, die Impfstoffe für Malta seien über den EU-Mechanismus beschafft worden. Das niederländische Gesundheitsministerium erklärte: "Wir halten uns an die Absprachen." Die Niederlande nutzten den Spielraum aber "maximal" aus und übernähmen ein Kontingent, wenn ein anderes Land darauf verzichte. Die Niederlande hatten als letztes EU-Land die Impfkampagne begonnen, holen aber inzwischen auf.

Brüssel „beobachtet“ 

Brüssel reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß der sechs Länder. Ein EU-Vertreter bestätigte am Samstag den Eingang des Briefes und erklärte: "Wir beobachten die Lage genau." Er verwies zudem auf den Plan für einen EU-Gipfel am 25. und 26. März. Bei dieser Gipfelkonferenz werde auch die Koordinierung der Strategie gegen die Covid-Seuche zur Sprache kommen.

Von den ursprünglich fünf Unterzeichnern des Schreibens an Michel und von der Leyen sind drei (Bulgarien, Tschechien und Lettland) bisher schlechter ausgestiegen als bei einer konsequenten Verteilung der Impfdosen nach der Bevölkerung. Slowenien und Österreich haben so viele Dosen erhalten wie es ihrer Bevölkerungsanzahl entspricht. Kroatien, das in der bisherigen Bilanz mit -27 Prozent an drittletzter Stelle liegt, schloss sich erst am Samstag dem Schreiben an. Der kroatische Premier Plenkovic hatte zunächst am Freitag bei einem Besuch in Brüssel laut einem ORF-Bericht sogar Unverständnis für den Vorstoß des Kanzlers geäußert. Es komme ganz einfach darauf an, welches Land bei welchem Hersteller bestellt habe, rechnete Plenkovic vor Journalisten vor. Am Samstag dürfte er seine Meinung dann geändert haben.

(APA)

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