Streit um Schwarzenberg-Aussagen zu Beneš-Dekreten

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SLOVAKIA GLOBSEC CONFERENCE (c) EPA (Peter Hudec)
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Tschechiens Außenminister hält Abschaffung doch nicht für möglich und behauptet, er wurde falsch verstanden. Die ARD-Journalisten halten aber an ihrer Version der Aussagen fest.

Nach einem ARD-Interview mit dem tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg zu den sogenannten Beneš-Dekreten ist ein Streit über die genaue Auslegung seiner Äußerungen entbrannt. Schwarzenberg wies am Donnerstag die Darstellung des Politikmagazins "Kontraste" zurück, er halte eine Abschaffung der Dekrete für möglich. Dagegen hielt die Redaktion von "Kontraste" an ihrer Version fest.

"Kontraste" hatte am Mittwoch im Voraus unter Berufung auf das Interview mit Schwarzenberg berichtet, dieser halte die Aufhebung der Dekrete für möglich, auf deren Grundlage nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen Sudetendeutsche enteignet und aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden. Demnach sagte er, die Diskussion darüber sei in Tschechien "ziemlich im Gange". Zwar sei unsicher, wie eine Entscheidung im Parlament ausfalle, aber "ganz ohne Zweifel ist die Fragestellung offen".

Versehen der Redaktion?

Am Donnerstag erklärte Schwarzenberg in einer von der tschechischen Botschaft in Berlin verbreiteten Mitteilung, er habe in "keiner Weise" gesagt, die Aufhebung der Dekrete sei "offen". Er habe lediglich gesagt, dass es in der Tschechischen Republik eine "sehr intensive und offene" Diskussion gebe, in der es um Ursachen und Verlauf des Zweiten Weltkriegs, dessen Ende und die mit den Dekreten "verbundenen Ereignisse" gehe. Dieser "vollkommen natürliche und wünschbare Aufarbeitungsprozess" könne jedoch an der Existenz und dem Fortbestand der Dekrete "nichts ändern". Zugleich erklärte er, die "Kontraste"-Redaktion habe "ihr Versehen heute eingestanden".

Am Abend entgegnete die "Kontraste"-Redaktion, sie halte an ihrer ursprünglichen Aussage fest. Zudem treffe es nicht zu, dass die Redaktion ein "Versehen eingestanden" habe.

1938 hatte Nazi-Deutschland die Grenzgebiete der damaligen Tschechoslowakei annektiert, in denen mehrheitlich Sudetendeutsche lebten. Im März 1939 ließ Adolf Hitler den Rest des Landes besetzen und es in das Protektorat Böhmen und Mähren sowie einen von ihm kontrollierten slowakischen Staat teilen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Tschechoslowakei etwa drei Millionen Deutsche enteignet und vertrieben. Insbesondere im Mai und Juni 1945 wurden mehrere Massaker an Dutzenden Sudetendeutschen, darunter Frauen und Kinder, verübt.

Die von der tschechoslowakischen Führung unter Präsident Eduard Beneš nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlassenen Dekrete sind noch immer rechtsgültig und besagen, dass solche Tötungen nicht widerrechtlich seien.

(APA/AFP)

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