Literatur

Böse, gierig, genial: So sind sie halt, die Reichen

AFP via Getty Images
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Vom 500 Jahre alten Roman „Fortunatus“ bis zum TV-Krimi von heute: Der US-Germanist Timothy Attanucci erforscht in Wien die Topoi des Reichtums.

Eine elegante Villa, ein prächtiger Park. Es knirscht im Kies, wenn das Polizeiauto vorfährt. Im ersten Stock wird ein Vorhang beiseitegeschoben. Die Kamera fängt einen kalten, verstörten Blick ein. Schon ist klar: In dieser Kulisse des Glücks haust das Unglück. Wir sind bei den Reichen – soll heißen: bei den psychisch Deformierten, Gierigen, Bösen. Beim Mörder. Die Sache ist gelaufen, man kann nach fünf Minuten abdrehen. Das Klischee im TV-Krimi verweist auf eine große Tradition in der Literatur, und auf ein verfestigtes Weltverständnis, bis in die Wissenschaft. Bret Easton Ellis stilisierte den Wall-Street-Banker zum Serienkiller. Seriöse Studien fahnden im Laborverhalten von Finanzjongleuren und Managern nach einem empathielosen, ja psychopathischen Gemüt – und wer suchet, der findet. Was kam zuerst, literarischer Topos oder reale Stigmatisierung? Haben sensible Dichter eine schmutzige Wahrheit als Erste erkannt? Oder erhob sich ihr kunstvoll verarbeitetes Ressentiment zum Dogma?

Um der Sache auf den Grund zu gehen, lohnt ein Blick auf das Projekt von Timothy Attanucci. Der US-Germanist forscht zurzeit in Wien, am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK), das zur Kunstuniversität Linz gehört. Sein Startpunkt ist „Fortunatus“, einer der ersten Prosaromane in deutscher Sprache, 1509 in Augsburg publiziert. Der Autor ist unbekannt, das Sujet ohne Vorlage – und doch wurde daraus ein ungemein wirkmächtiges Stück Literatur, oftmals adaptiert, auch als Drama, am englischen Hof wie im Theater an der Wien.

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