Türkei/Nahost

Erdoğan wirbt um Israel und Ägypten

Der türkische Präsident Erdoğan hat sich auch in Nahost viele Partner zu Gegnern gemacht und versucht es jetzt da und dort mit einer Kehrtwende hin zur Versöhnung.
Der türkische Präsident Erdoğan hat sich auch in Nahost viele Partner zu Gegnern gemacht und versucht es jetzt da und dort mit einer Kehrtwende hin zur Versöhnung. via REUTERS
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Speziell mit den regionalen Machtansprüchen verprellte Ankara viele Partner wie Ägypten und Israel. Nun setzt Erdoğan wieder auf süße Töne, denn sein Land steckt in der Klemme.

Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, hat im Laufe der Zeit nicht nur Europa und die USA vor den Kopf gestoßen, sondern auch Nachbarn im Nahen Osten. Heute kann Ankara in der Region nur noch auf das Emirat Katar zählen – dagegen wurden die türkischen Botschafter aus wichtigen Ländern wie Ägypten und Israel sogar abgezogen.

Erdoğans Regierung beschönigte die Vereinsamung lang als „verdienstvolle Isolation“, doch schickt jetzt Versöhnungssignale an frühere Partner. Ob mit Erfolg, ist fraglich: Die Umworbenen haben sich inzwischen in anderen Konstellationen ohne – oder gar gegen – die Türken zusammengeschlossen. Zudem dürften sie eine Wiederannäherung von Bedingungen abhängig machen, die für Ankara schwer zu erfüllen sind.

Am Auffälligsten sind die Avancen derzeit gegenüber Ägypten. Zwischen beiden Ländern herrscht seit acht Jahren Krise: Damals verdammte Erdoğan den Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch den heutigen Staatschef, Abdel Fatah al-Sisi. Die Türkei ist nach wie vor wichtiger Partner von Mursis islamistischer Muslimbruderschaft, die von Sisis Regierung sowie Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) als Terrororganisation verfolgt wird. Auch mit ihrer Arroganz und ihrem Anspruch, als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches in Nahost als Ordnungsmacht aufzutreten, machte sich die Türkei in der Region unbeliebt.

Bisher war Erdoğan das egal. Bei Auftritten grüßt er seine Anhänger mit dem „Rabia-Zeichen“ – vier ausgestreckten Fingern mit eingeklapptem Daumen. Es erinnert an das Massaker auf dem Rabia-Platz in Kairo, wo Soldaten anno 2013 mehr als 900 Menschen töteten. Sisi nennt er „Putschist“ und lehnt jeden Kontakt mit ihm ab.

Das könnte sich bald ändern. Jüngst bestätigte Erdoğan „geheimdienstliche, diplomatische und politische“ Gespräche mit Kairo. Man wolle die Verbindungen ausbauen. Hinter der Wende stehen ökonomisch-politische Gründe. Bessere Kontakte mit Ägypten könnten der türkischen Exportbranche helfen und die Position im Streit um Grenzen und Gasvorkommen im Mittelmeer verbessern, wo sich Ankara einer Phalanx aus Griechenland, Zypern, Ägypten, Israel und sogar den VAE gegenübersieht.

Auch Israels Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, berichtete kürzlich von Kontakten mit der Türkei. Erdoğans Außenminister, Mevlüt Çavuşoğlu, regte einen Neuanfang in den Beziehungen mit den VAE und den Saudis an.

Antitürkische Allianzen

Erdoğans Türkei sah sich lang als natürliche Führungsmacht; ihre Wirtschaftskraft und Position als EU-Beitrittskandidatin machten sie zum Modell für eine ganze Weltgegend. Nun stecken ihre Wirtschaft und die Beziehungen zu Europa und dem Westen in der Krise. Und antitürkische Bündnisse erstarken: Die saudische Luftwaffe etwa schickte heuer Jets zu einer Übung nach Kreta. Zuvor hatte die mit Riads Sanktus initiierte Normalisierung zwischen Israel, den VAE, Bahrain und dem Sudan die Isolation Ankaras verstärkt. Dasselbe gilt für die im Jänner erfolgte Beilegung des Konflikts von Katar mit Saudiarabien, Ägypten, Bahrain und den VAE. Die Türkei fürchtet, den Anschluss zu verlieren.

Auf Begeisterung stoßen die neuen türkischen Töne indes nicht. Offizielle in Ägypten ließen sich mit den Worten zitieren, wenn die Türkei die Beziehungen ausbauen wolle, müsse sie „das Prinzip der Souveränität und die Erfordernisse der arabischen nationalen Sicherheit“ achten. Heißt: die Unterstützung der Muslimbrüder stoppen. Das fiele Erdoğan schwer, denn er sieht diese nicht nur als geistige Genossen, sondern auch als Verbündete, die vielerorts den türkischen Einfluss sichern können. Streit gibt es auch wegen Libyen, wo die Türkei westlibysche Truppen gegen den ostlibyschen General Khalifa Haftar unterstützt, dem Ägypten und die VAE helfen.

Schluss mit Großmachtgetue?

Letztlich müsste die Türkei von ihren Großmachtsträumen Abschied nehmen. Erdoğan zeigt nicht, ob er das will. „Die Türkei will heraus aus ihrer Ecke“, meint der amerikanische Türkei-Experte Howard Eissenstat. „Doch ich weiß nicht, ob sie bereit ist, die Kosten zu tragen.“

Staaten wie Ägypten und Israel sitzen am längeren Hebel. Sie sind mit der aktuellen Lage zufrieden und können den Preis für eine Wiederannäherung hochtreiben: Man werde die Türken nach Eissenstats Einschätzung „nicht billig davonkommen lassen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2021)

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