Reform des Verfassungschutzes

BVT heißt nun "Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst"

Ungewohnte Harmonie zwischen den Koalitionsparteien: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) präsentierten am Montag Details zur Reform des Verfassungsschutzes.
Ungewohnte Harmonie zwischen den Koalitionsparteien: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) präsentierten am Montag Details zur Reform des Verfassungsschutzes.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Abseits des Konflikts rund um die Impstoffbeschaffung präsentierte sich die türkis-grüne Koalition am Montag erstmals wieder harmonisch: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) einigten sich auf eine Neuaufstellung des ramponierten Verfassungsschutzes.

Schon am Freitag hatte die Regierung erste Details zur Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) verkündet. Bei einer Pressekonferenz am Montag stellten Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer weitere Details vor und bildeten damit einen Kontrapunkt zur durch den Konflikt um die Impfstoffbeschaffung zuletzt stark in Mitleidenschaft geratenen koalitionären Zusammenarbeit.

„Diese Pressekonferenz ist ein Zeichen dafür“, dass man professionell zusammenarbeite, sagte Maurer. „Wir haben die Verpflichtung zu arbeiten.“ Über die Details der BVT-Neuaufstellung gibt „Die Presse“ einen Überblick.

Umbenennung und Zentralisierung

Die „Schutzmauer“ des Verfassungschutzes habe „schwere Risse bekommen“, erklärte Nehammer bei der Pressekonferenz. Gemeint hatte er damit unter anderem die Erkenntnisse der Untersuchungskommission zum Terroranschlag am 2. November, die klare Verfehlungen und personelle Mängel der Behörde festgestellt hatte. Die „neue Mauer“, die Türkis und Grün nun bauen wollen, wird künftig einen neuen Namen tragen: Das BVT heißt nun Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).

Inhaltlich zentral ist in dieser die Trennung des Nachrichtendiensts (Analyse ohne Notwendigkeit, Straftaten zu verfolgen) von der Staatspolizei, die Ermittlungen vor Ort sowie polizeiliche Maßnahmen wie Festnahmen oder Verhaftungen durchführt. Diese Trennung habe es „bis dato in dieser Form noch nicht gegeben“, sagte Nehammer. Der Nachrichtendienst-Bereich wird zentralisiert und obliegt nicht mehr den bisherigen Landesämtern (LVTs). Koordiniert werden beide Bereiche künftig in einer Lagezentrale, die direkt beim Direktor bzw. der Direktorin angesiedelt ist, um zu vermeiden, dass - wie im Vorfeld des Wiener Terroranschlags - Informationen verloren gehen. Organisatorisch angesiedelt bleibt die DSN weiter in der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Mit der „Gesamtstruktur, die einen Bogen spannt“ solle verhindert werden, dass sich beide Bereiche voneinander weg entwickeln, sagte Nehammer.

„Ich freue mich auch sehr dass, wir die Verhandlungen so erfolgreich abschließen konnten“, sagte Maurer. Tatsächlich habe die Bereitschaft bestanden, das Amt „komplett neu aufzustellen und neu zu gründen“. Sie sei froh, dass „der Partner gewillt war, das zu tun. Dafür sind auch wir dankbar.“

Dass die beiden Bereiche in einer Direktion gebündelt werden, stieß vorab auf Widerstand in der SPÖ, die darin eine „halbherzige Pseudo-Reform“ erkannte: „Zwei Organisationseinheiten in einer Behörde zu belassen, ist ein ganz großer Fehler“, warnte Sicherheitssprecher Einwallner am Wochenende. Ein erster Blick auf die nun präsentierten Details bestätige dessen „Befürchtungen“ bezüglich des Trennungsgebots zwischen Nachrichtendienst und Staatspolizei, wie er am Montag in einer Aussendung sagte. Diese bleibe „äußerst schwammig“.

Auswahl des Personals

Bereits gesetzlich verankert wurde die Frage der Personalauswahl. Diese wird künftig in Form einer qualitativen Grundausbildung sichergestellt. Der erste Lehrgang stehe bereits vor dem Abschluss, sagte Nehammer. Im Recruiting würden auch Gender und Diversity-Aspekte berücksichtigt, versicherte Maurer. Für die Auswahl der Mitarbeiter spielt zudem nicht mehr nur deren Polizeihintergrund eine Rolle. Im Bereich des Nachrichtendiensts sollen beispielsweise auch Soziologen oder Religionswissenschafter tätig sein, die selbst keine Waffen tragen werden. Damit verhindere man, dass „eine Person zwei Hüte aufhat“, sagte Maurer. „Das ist komplett getrennt.“ 

Für die Bestellung des Direktors bzw. der Direktorin wird ein externer Experte in die Bestellungskommission aufgenommen. Dass die Besetzung bereits für eine Person aus dem Umfeld der niederösterreichischen ÖVP ausgedealt sei, wie die SPÖ vermutet, wies Nehammer als reinen „parteipolitischen Vorwurf“ zurück. Im Gegenteil wolle man eine Entpolitisierung: Künftig wird es Mitarbeitern untersagt, nebenbei politisch tätig zu sein. „Das war unserem Koalitionspartner schon in den Koalitionsverhandlungen wichtig“, sagte Nehammer, der sich bei Maurer sowie dem grünen Sicherheitssprecher, Georg Bürstmayr, für die „sehr umsichtige“ Zusammenarbeit bedankte. „Uns ist gemeinsam gelungen, was viele nicht erwartet hätten.“ Denn mit der „Parteibuchwirtschaft“, die die Reputation des BVT „massiv ruiniert“ habe, sei nun Schluss, sagte Maurer.

Mehr Kontrolle und Transparenz

Mit der Stärkung des Rechtsschutzbeauftragten soll eine stärkere Kontrolle der Direktion möglich werden. Dafür wird es mehr juristisches Personal geben. Geplant ist zudem eine unabhängige und weisungsfreie Kontrollkommission nach Vorbild des Menschenrechtsbeirats, bei der sich auch Whistleblower anonym melden können. Das Kontrollorgan soll auch der Opposition mehr Kontrollmacht einräumen: Die Bestellung des dreiköpfigen Gremiums, in dem etwa Juristen oder Politikwissenschaftler sitzen sollen, erfolgt auf Vorschlag des Hauptausschusses im Parlament und muss mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden. Die Bestellung der Experten ist auf zehn Jahre befristet, eine Wiederbestellung nicht möglich.

Dem Kontrollorgan soll Akteneinsicht gewährt werden, auch soll es diesem erlaubt sein, die Räumlichkeiten der neuen Direktion zu betreten. Dem Gremium gegenüber hat die Direktion erweiterte Berichtspflichten und kann jederzeit befragt werden. „Die Mitwirkung der Opposition ist unbedingt erforderlich“, sagte Maurer. Nehammer verwies dabei auf eine „Kulturänderung in der Frage der Informationspolitik“: Schon jetzt habe man den geheimen Unterausschuss des Innenausschusses „intensiv informiert“, was eine „neue Qualität“ in der zweiten Republik sei. Den Abgeordneten sei es möglich gewesen, in die Finanzstruktur des Verfassungsschutzes sowie in dessen Personalpläne zu schauen. Im Reformprozess habe es eine „größtmögliche Transparenz und keine Tabus“ gegeben. „Die Opposition wird mitgenommen auf diesem Weg“, sagte Nehammer.

Dem widersprach am Montag die SPÖ in einer Aussendung: „Die Opposition wurde nicht, wie in der Pressekonferenz dargestellt, sehr früh eingebunden“, wurde Sicherheitssprecher Einwallner in einer Aussendung zitiert. „Im Gegenteil haben wir den Gesetzestextvorschlag kurz vor der Pressekonferenz erhalten.“ Zudem sei die parlamentarische Kontrolle „in der vorliegenden Form nicht gegeben, denn das Kontrollgremium wieder im Innenministerium angesiedelt sein“ solle.

Internationale Beispiele

Als internationale Vorbilder nannte der Innenminister Dänemark, die Schweiz und Deutschland. Doch man stehe auch in engem Kontakt mit den MI5 und MI6 im Vereinigten Königreich und der CIA, von deren Expertise man „unglaublich unterstützt“ würde. Die internationalen Partner hätten ein „Höchstmaß an Interesse, dass diese Reform in Umsetzung kommt.“

Zeitrahmen und Standort

„Von mir aus schon morgen“, sagte Nehammer zum gewünschten Starttermin der geplanten Reform. Das „Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz - SNG“ soll nun mit den Oppositionsparteien beraten werden. In einem der nächsten Ministerräte will man die Regierungsvorlage auf den Weg schicken und den Begutachtungsprozess starten. Den Beschluss im Parlament hat man sich bis zum Sommer vorgenommen. Realistisch sei, dass die neue Direktion am 1. Juli ihre operative Tätigkeit aufnehmen könne. Den alten BVT-Gebäudekomplex Ecke Rennweg und Landstraßer Hauptstraße habe man adaptiert, Spionage von außen damit erschwert und sensible Bereiche ausgelagert.  Der alte Standort sei aufgrund der Lager aber nicht mehr geeignet. Vorerst soll die neue Direktion in Ausweichquartiere übersiedeln. Als künftigen möglichen Standort nannte Nehammer einen Neubau am Areal der Meidlinger Kaserne.

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