Eine Frau verschwindet auf dem Heimweg in London von der Straße – ein Polizist wird verdächtigt, sie getötet zu haben. Der Fall führt zu einer Diskussion über die Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum.
Wien/London.Es sind traurige Tage auf den Straßen Londons. Vor fast zwei Wochen, am 3. März, spazierte Sarah E. nach einem Besuch bei Freunden durch das Londoner Viertel Clapham nach Hause. 50 Minuten zu Fuß, das wäre die normale Strecke; als die 33-Jährige tags darauf nicht zu einem Treffen mit ihrem Lebensgefährten kommt, alarmiert der die Polizei. Es sei überhaupt nicht Sarahs Art, sich nicht zu melden, und sie meldet sich nicht.
Die Hauptstadt-Polizei beginnt daraufhin eine groß angelegte Suchaktion, Anrainer sichten die Aufnahmen ihrer Tür- und Auto-Sicherheitskameras. In einem Park östlich von Clapham findet man schließlich die Haube, die E. an dem Abend getragen hat. Und in einem Waldstück in der Grafschaft Kent finden Polizisten am 10. März eine Tasche mit „menschlichen Überresten“. Am 12. März weiß man: Es ist Sarah E.
Schon am 9. März war ein Verdächtiger festgenommen worden. Es gehen Schockwellen durch das Land, als bekannt wird, dass es sich um einen Polizisten handelt. Wayne C. ist 48 und Teil jener Londoner Einheit, die Politiker und Diplomaten sichert. C. soll die Frau entführt und getötet haben, so der Vorwurf der königlichen Strafverfolgungsbehörde.
Die Londoner Polizei ist seitdem in einer schwierigen Position. Einerseits ist die Truppe augenscheinlich darob betroffen, dass jemand aus ihren Reihen der Täter sein könnte. Andererseits muss die Polizei nun mit dem Leid und dem Zorn umgehen, der sich öffentlich entlädt. Am Wochenende hatten Frauen Andachten für E. geplant – die Organisatorinnen zogen die Pläne aber wieder zurück. Tatsächlich verbot die Polizei eine Zusammenkunft mit Verweis auf die Coronaregeln.
Das hielt aber Tausende nicht davon ab, dennoch zu kommen. An verschiedenen Orten in Großbritannien wurde am Samstag E.s gedacht. In dem Park in Clapham, wo sie zuletzt gesehen worden war, legten am Nachmittag zunächst Hunderte Blumen nieder, ehe am Abend aus der Andacht ein Protest wurde. Aus dem Meer an Teelicht-Flammen und Smartphone-Blitzen kamen Rufe wie „Shame on you“, „Wie viele mehr?“ – dann begann die Polizei, die Veranstaltung aufzulösen. Polizisten führten Frauen ab, trampelten über die Blumen, die davor für Sarah E. hinterlassen worden waren. Vier Frauen wurden verhaftet – sie hätten gegen Corona-Auflagen verstoßen.