Amadeus-Award: Zeit der Zärtlichkeit

AmadeusAward Zeit Zaertlichkeit
AmadeusAward Zeit Zaertlichkeit(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Bei der Amadeus-Award-Verleihung in der Stadthalle trotzte die Branche dem Endzeitszenario der Musikindustrie und feierte sich selbst. Die Veranstaltung ging am Donnerstag über die Bühne.

Es ist schon ein Gfrett. Da bemühen sich Musiker jahrelang um ein genrespezifisches Image und dann landen sie auf der Bühne des großen Gleichmachers Amadeus. Fressfeinde wie Semino Rossi und Nik P., die im gleichen Revier um Beute konkurrieren, saßen sicherheitshalber Rücken an Rücken. Andere mischten sich auf kuriose Weise.

Metallisten wippten mit schweren Stiefeln auf derselben Couch wie filigrane Synthiepophexen. Der immens talentierte Nino aus Wien, der so sehr hoffte, einen der nicht extrem formschönen Amadeus Awards mitnehmen zu können, um sein neues Singspiel gut bewerben zu können, lümmelte ein bisserl rinnaugert zwischen Hardrockern in Trachtenanzügen und wohlgenährten Beatbox-Mozarts. Nix ist es geworden. Schade, aber schön. Wo kämen wir denn hin, wenn der Nino plötzlich nicht mehr melancholisch wäre?


Ö3, Radio Augustin, FM4 und Regionalradio – alle waren Freunde an diesem Abend des Zelebrierens, jenes Teils des Musiklebens, auf den sich Österreicher besonders gut verstehen.

Die Amadeus-Award-Verleihung scheint seit Jahren eher ein Alibi für die nachfolgende rauschende Feier zu sein denn eine vitale Preisverleihung. Zu viel entschuldigende Elemente prägen dieses als TV-Show inszenierte Event.

Puls 4 Austria schickte sich wieder an, die Posse zu übertragen. Mehrzweckhalleneröffner und Elfriede-Ott-Entführer Michael Ostrowski scherzte, dass der Sender „zum ersten Mal mehr Zuseher als Angestellte“ hätte. Mit Perücke und blauem Schal wedelte er nicht ganz synchron zu den ihn umschmeichelnden Tänzern durch die unvergessliche Titelmelodie von „Musik ist Trumpf“. Textlich passte das Lied ideal zum derzeit dominierenden Endzeitszenario in der Musikindustrie: „Musik ist Trumpf im Leben, sie wird es immer geben, so lange der Globus sich noch dreht, so lange unsere Welt besteht.“ Peter Frankenfelds einstige Musiksendung, die später durch Harald Juhnke jung zu Tode kam, war ein frühes demokratisches Format. Das Publikum konnte per – Zeitschriften beigelegten – Coupons über die Musikauswahl bestimmen. Solche Teilhabe war beim Amadeus nicht möglich.

Verzweifelte Semino-Rossi-Fans konnten sich noch so artistisch über das Geländer beugen, das die VIP-Meute vom zahlenden Publikum trennte, ihr Idol war nicht dazu zu bewegen, ein Lied zu singen. Das ein bisserl arg naive DJ-Duo Camo & Krooked, Gewinner der FM4-Trophäe, schwebte in einer Discokugel ein, um die Botschaft der musikalischen Einigung zu überbringen. In einem schwer verdaulichen Ragout aus holprigen Drum'n'Bass-Rhythmen und Liveeinschüben der Hardrocker Boon und der volkstümliche Grooves absondernden Jungen Zillertaler wurde der Ernstfall der totalen musikalischen Mobilmachung geübt.

Anna F.s hauchige Ode an den Led-Zeppelin-Gitarristen Jimmy Page überraschte mit anheimelndem Querflötensolo. Ihr wuscheliger Auftritt wurde von der populärkulturaffinen Richard-Lugner-Großfamilie kenntnisreich akklamiert. Diesmal purzelten keine Firmennamen aus Miss F.s hübschem Mund, dennoch prägte sie das Wort des Abends, als sie den ersten von zwei Awards überreicht bekam. Die brünette Schönheit zwitscherte ein herzhaftes „Juchu!“ ins Mikrofon.

Independent-Label-Boss Skero, der zwei Awards mitnahm, bedankte sich ohne viel Pathos bei sich selbst. Seine Performance der Hip-Hop-Kabarettnummer „Kabinenparty“ war die angenehme Überraschung des Abends. Aufmunitioniert mit Sambagirls und Trommelbuben platzierte Skero seinen Linzer Flow punktgenau zu DJ Crums feinem Gescratche.

„Geht scho, gemma, Vollgas!“ war dann auch die ideale Strategie, mit den vielen bunten Flüssigkeiten bei der Aftershow-Party zurechtzukommen. „Move Your Popo!“ lautete die Devise der nur homöopathisch innovativen DJs Elk und Shorty. Zu alten Krachern wie „Ballroom Blitz“ wurde bis in die frühen Morgenstunden ohne Netz genetzwerkt. Die Schräglagen dabei waren durchaus auch körperlich.

Auf einen blick

Der Amadeus Award, mit dem heimische Musiker ausgezeichnet werden, ging am Donnerstag in der Stadthalle über die Bühne. Puls4 wiederholt die Verleihung heute, Samstag, ab 22.05h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2010)

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