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Die grelle Welt der Zwangsprostitution

Sky Rojo
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In „Sky Rojo“, der neuen Serie von den Machern von „Haus des Geldes, fliehen drei Frauen vor ihren Zuhältern. Das ist rasant, laut – und heikel: Gewalt darf hier sexy sein.

Zur Prostitution müsse man berufen sein, sagt der Bordellchef, zurückgelehnt in seinen Zebrafell-Sessel, zur Quereinsteigerin Coral. Könnte sie jetzt sofort bei ihm zur Fellatio ansetzen und ein Meisterwerk daraus machen? Klar könnte sie, sagt sie mit zögerlichem Lächeln – werde sie aber nicht. Sie wolle doch das Berufliche und Private nicht gleich vermischen!

Es sind abgebrühte Frauen, die sich in der Netflix-Serie „Sky Rojo“, dem neuesten Streich der spanischen Serienmacher Álex Pina und Esther Martínez Lobato (dem Schöpfer und der Drehbuchautorin von „Haus des Geldes“) aus einer Welt befreien, die so glamourös wie brutal geschildert wird. Gäbe es Michelin-Sterne für Bordelle, hätte seines drei, sagt Chefzuhälter Romeo (Asier Etxeandía, bekannt etwa aus Almodóvars „Leid und Herrlichkeit“) über seinen Edelschuppen. Im „Las Novias“-Klub erwarten den Kunden rote Ledersofas, leuchtende Tanzflächen, exklusive Séparées – und ein ausgefeiltes Produktportfolio: Jede der Prostituierten erfüllt hier eine Rolle, vom süßen Kätzchen bis zur anspruchsvollen Dame, die „die Leute wollen, nachdem sie einen französischen Film gesehen haben“.

Freilich: Nicht alle „Mitarbeiterinnen“ hatten ein Bewerbungsgespräch wie die ehemalige Biologin Coral (Verónica Sánchez). Viele wurden unter falschen Versprechungen hierher verschleppt. Wendy (Lali Espósito) kam auf der Suche nach einem besseren Leben aus Argentinien, die Kubanerin Gina (Yany Prado) ging Menschenhändlern auf den Leim. Entkommen soll keine von ihnen – dafür sorgen Romeos Schergen, die im Umgang mit Pistole und Greifzange geübt sind. Bis Romeo dann am Boden liegt und das Blut aus seinem Hinterkopf rinnt wie flüssiges Silber. Und Coral, Wendy und Gina im Cabrio davon düsen . . .

Als „Latin Pulp“ versteht sich die Serie, in der sich – garniert mit vielen Rückblendungen – eine rasante Katz-und-Maus-Jagd zwischen den Freundinnen und den Zuhältergehilfen entspinnt. Den Machern schwebte eine unerbittliche kanarische Wüstenwelt vor, wie sie auch Robert Rodriguez („Sin City“) erdacht haben könnte. Grell und knallig ist das Ergebnis jedenfalls, voller dramatischer Wendungen – und lustvoll zelebrierter Gewaltexzesse: Zu beschwingten Klängen wird da geschossen, geschlägert und mit dem Druckbleistift auf Brüste eingestochen.

Coole Miene zur Misshandlung

Die Frauen sind alles andere als zimperlich (wenn auch umsichtig: Sie tackern die Platzwunden, die sie einem in ihre Quere geratenen Kaufhauswärter zugefügt haben, fürsorglich zu). Sie scheinen ihren Verfolgern stets einen Schritt voraus. Und doch bleibt da dieser Beigeschmack. „Sky Rojo“ ist – auch ästhetisch – angetrieben von einem nicht nur augenzwinkernden, sondern auch sexualisierten Blick auf die Gewalt. Immer wieder werden in Hochglanzoptik schöne Frauen gezeigt, die sich mit gelassener Miene misshandeln lassen (oder das aus dem Off in coolem Tonfall kommentieren).

Ihr Elend und die Ausbeutung ernsthaft zu verhandeln, maßt sich die (im Übrigen psychologisch ganz anspruchslose) Serie gar nicht an. Doch mehr Komplexität hätte allen Figuren gut getan. „Werden wir die Welt immer wie Nutten sehen?“, fragen sich die Frauen einmal besorgt. Wie die Welt sie sieht, macht die Serie recht deutlich klar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2021)

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