Parlamentswahl

Rechtsnationalisten in den Niederlanden auf dem Vormarsch

FvD-Chef Thierry Baudet (rechts auf der Bühne) im vollen Wahlkampfeinsatz.
FvD-Chef Thierry Baudet (rechts auf der Bühne) im vollen Wahlkampfeinsatz.APA/AFP/ANP/REMKO DE WAAL
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Vor allem Nationalist Thierry Baudet kann nach der Parlamentswahl jubeln - seine Partei gewinnt sechs Sitze dazu, eine Abspaltung erringt erstmals vier Sitze. Das rechte Spektrum geht mit 29 Mandaten deutlich gestärkt aus der Wahl, wenn auch zersplittert.

Der Nationalist Thierry Baudet hat nach der Auszählung von 75 Prozent der Stimmen den größten Zuwachs an Mandaten bei der Parlamentswahl in den Niederlanden erzielt. Seine rechtspopulistische Partei FvD (Forum für Demokratie) gewinnt demnach sechs Sitze und kommt nun auf insgesamt acht.

Stärkste rechtspopulistische Kraft wurde erneut die PVV von Geert Wilders. Sie büßte drei Mandate ein und kommt auf 17. Eine Abspaltung von Baudets FvD, die Partei JA21, zieht erstmals mit vier Abgeordneten ins Parlament ein, sodass dort künftig drei rechtspopulistische Parteien vertreten sind, mit insgesamt 29 Sitzen. Wilders sagte im niederländischen Fernsehen, er werde entschlossen Opposition gegen die neue Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte führen.

Kontakte in die Alt-Right-Bewegung

Baudet macht Wilders seit einigen Jahren am rechten Rand des Parteienspektrums Konkurrenz. Der 38-jährige promovierte Rechtsphilosoph gibt sich im Ton oft gemäßigter als der erklärte Islam-Hasser Wilders, doch manche Politologen stufen ihn als noch radikaler in seinen Ansichten ein. Er unterhält unter anderem Kontakte zur amerikanischen Alt-Right-Bewegung.

Bei der niederländischen Provinzialwahl vor zwei Jahren war Baudets Partei sogar stärkste Kraft geworden. Im vergangenen Herbst wurden dann aber offen rassistische und antisemitische Aussagen einiger seiner Parteifreunde bekannt, von denen Baudet sich nicht distanzierte. Daraufhin stürzte seine Partei in den Umfragen ab. Nun hat ein deutlicher Erholungsprozess eingesetzt. Zuletzt hatte Baudet gegen den Corona-Lockdown Stellung bezogen. Nach Einschätzung niederländischer Kommentatoren wurde das von einem Teil der rechts orientierten Wähler honoriert. Außerdem konnte Baudet offenbar bisherige Nichtwähler aktivieren.

Mark Rutte liegt vorne

Als deutlicher Sieger ging die liberale Partei von Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) mit 35 (plus 2) Sitzen hervor. Die linksliberale Partei D66 kam laut einer Prognose der Nachrichtenagentur ANP, auf die sich die Zeitung "de Volkskrant" berief, auf ein Plus von fünf Sitzen (insgesamt 24). Von den beiden anderen bisherigen Koalitionspartnern Ruttes konnte sich die kleine ChristinUnie (CU) stabil bei fünf Mandaten halten, die Christdemokraten (CDA) hingegen mussten stark einbüßen und verlieren laut Prognose vier Sitze (von 19 auf 15).

Auch die linken Parteien - die Sozialisten/SP und die Grünen (GroenLinks/GL) verlieren stark (von 14 auf neun bzw. von 14 auf sieben Sitze). Die Sozialdemokraten (PvdA) können ihre neun Mandate zumindest halten. Die Partei für die Tiere (PvD) gewinnt einen Sitz (von fünf auf sechs), die Partei 50Plus verliert drei Sitze (von vier auf einen). Insgesamt schafften den Einzug ins Parlament 17 Parteien - zwei mehr als bisher.

Internationale Zeitungen kommentieren den Wahlausgang und die bevorstehenden Verhandlungen über eine neue Regierung in den Niederlanden am Donnerstag wie folgt:

"De Telegraaf" (Amsterdam)

"Es ist wichtig, dass bei der Regierungsbildung den Wünschen des Wählers Rechnung getragen wird. Alle ernsthaften Optionen müssen geprüft werden. Im Vorfeld Parteien auszuschließen, hat vielleicht für Transparenz gesorgt, war aber nicht sehr demokratisch.

Mindestens genauso wichtig ist es, dass die neue Koalition einen Weg aufzeigt, der unser Land in den nächsten vier Jahren verantwortungsvoll aus der Coronakrise führt. Während die Gesundheitskrise hoffentlich bald überwunden ist, werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen noch heftig nachwirken. Das wurde leider im Wahlkampf nicht ausreichend thematisiert; viele Spitzenkandidaten haben dieses Thema vermieden. Jetzt ist entscheidend, dass die neue Regierung eine Perspektive bietet und Vertrauen schafft."

"De Tijd" (Brüssel)

"Es ist bemerkenswert, dass viele kleine Parteien in das niederländische Parlament einziehen werden. Prognosen zufolge werden 17 Parteien ins Parlament gelangen. Das ist ein Rekord. In den Niederlanden herrscht eine große Unzufriedenheit. Die spiegelt sich jedoch nicht in starken Oppositionsparteien wider, sondern zeigt sich in der hohen Anzahl der Parteien. Die politische Landschaft der Niederlande ist völlig zersplittert. Somit dürfte die Regierungsbildung für Mark Rutte noch schwieriger werden. (...)

Aufgrund der Pandemie könnte die Regierungsbildung allerdings zügiger als beim letzten Mal erfolgen. Die Frage ist nur, wie lange Ruttes viertes Kabinett Bestand haben wird. Wenn die Pandemie vorbei ist, werden die großen politischen Themen wieder auftauchen. Dann reicht allein politische Flexibilität nicht mehr aus und ein reibungslos funktionierendes Programm ist notwendig. Angesichts des vorläufigen Wahlergebnisses von Mittwochabend ist das aber eine Illusion."

(APA/dpa)

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