Obenauf: Im Höhenrausch, täglich

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Schwimmbäder und Schrebergärten. Was sich Architekten einfallen lassen, damit die Dächer von Wohnanlagen grüne Oasen für ihre Bewohner werden.

Warmes Licht und feiner Nebel, bunte Blätter und tausendundein weiße Fäden, an denen Spinnen durch die Luft segeln. Der Altweibersommer hat seine eigene Poesie. Im Garten sowieso, aber speziell auch in luftiger Höh' – auf der Dachterrasse. Dort kann man jetzt die letzten, späten Erdbeeren ernten, auf der Couch der Skylounge sitzen, den Fruchtständen beim Verdorren zuschauen.

Und ohne Störfaktoren nach oben schauen: „Der Himmel wölbt sich, der freie Blick ist möglich“, schwärmt Bettina Götz, Architektin bei Artec. Das schätzt sie zum Beispiel bei Dachaus- oder Aufbauten: „Damit entsteht auf historischen Sockeln eine gänzlich neue Stadt mit autonomer Struktur.“ Das sei besonders charmant – für Architekten genauso wie für viele Wohnungssuchende.

Freiraum zwischen Hund und Katze

Aber natürlich lassen sich auch bei neuen Objekten Freiräume obenauf schaffen. So hat Artec beispielsweise kürzlich einen Wohnbau mit 100 Einheiten als Terrassenhaus geplant. Beim Bau namens „Bremer Stadtmusikanten“ in der Wiener Tokiostraße stapelten die Architekten – frei nach dem Märchen von Gockel, Katze, Hund und Esel – verschieden große Wohngebäude aufeinander.

Eine durchaus erwünschte Nebenwirkung: viel Freiraum draußen – sowohl bei den einzelnen Wohnungen als auch bei den gemeinsamen Flächen. So gibt es ganz oben, als Tüpfelchen auf dem I, Kleingartenhäuser mit dreieinhalb Metern Breite samt dazugehörigem Freiraum – wohl die höchstgelegenen Schrebergartln Wiens. Außerdem dort zu finden: eine Gemeinschaftsterrasse samt Schwimmbad, Liegewiese – und tollem Ausblick über die Dächer der Stadt.

Parzelle mit Schuppen und Gärtchen

Nicht minder grün soll es im Wohnbau-Projekt „Waterfront“ an der Erdberger Lände zugehen. Die Architektengruppe Froetscher Lichtenwagner hat dafür gerade ein Leitbild vorgeschlagen. Ihr Plan: Die Dachlandschaft soll komplett begrünt werden – und zwar nicht von einem professionellen Gärtner, sondern von den einzelnen Mietern. Jeder Hausbewohner bekommt auf der Dachterrasse eine Parzelle mit Schuppen und Gärtchen zugeteilt – und damit ausreichend Platz für Paradeiserpflanzen und Ribiselstauden. Für Christian Lichtenwagner passt die Idee perfekt in das urbane Umfeld der Gegend. „Denn oben auf der Dachterrasse ist und bleibt es privat. Und unten, auf der Straße, bleiben die Flächen öffentlich, alles andere macht wenig Sinn“, sagt er.

Einen anderen Zugang zum Thema wählte Architekt Helmut Wimmer von ATS Architekten bei der Konzeption einer neuen Anlage: Er plante Terrassen ein, die zwar nicht auf dem Dach liegen – aber sich so gebärden. Der alte Baumbestand auf dem Grundstück hat Wimmer so gefallen, dass er kurzerhand das Bauwerk an die Natur angepasst hat. Nun schlingen sich die Terrassen wie Schleifen um die Bäume. „Jeder einzelne Aufbau steht solitär im Freien“, erklärt Wimmer das Prinzip. Darüber hinaus seien die Freiflächen besonnt und bis zu 60 Quadratmeter groß. „Da kann man fast schon draußen wohnen.“

Ein Stück Dach für alle

Und wer trotz allem nicht das Glück hat, eine Dachterrasse sein eigen zu nennen, kann sich einmal in Wiens Türme wagen. Denn in der Hochhausrichtlinie des Stadtentwicklungsplans ist laut Klaus Vatter von der MA 21 verankert, dass jedes Gebäude (ab 2002) über 35 Meter Höhe eine frei zugängliche, öffentliche Nutzfläche haben muss – mit Ausblick.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2010)

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