Schulpolitik: Nachhecheln hinter dem Koalitionspakt

Schulpolitik Nachhecheln hinter Koalitionspakt
Schulpolitik Nachhecheln hinter Koalitionspakt(c) Clemens Fabry
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Zweiter Nationalratspräsident Neugebauer kritisiert Ministerin Schmied: „Wenig bis nichts weitergebracht.“ Schmieds Forcieren der Gesamtschuldebatte sei dagegen „Zeitvergeudung“

WIEN. „Dringend weg von Organisationsdebatten hin zu den Inhalten.“ Das fordert der Zweite Nationalratspräsident, Fritz Neugebauer (ÖVP), von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) in der laufenden Bildungsdebatte. Schmied habe seit dem Start der Regierung Ende 2008 „noch wenig bis nichts weitergebracht“, attackiert der oberste Beamtengewerkschafter die Ministerin. Die Hoffnung wolle er als ehemaliger Lehrer, so wie bei einem Schüler, aber nicht aufgeben, sagt Neugebauer im Gespräch mit der „Presse“: „Man kann ja noch arbeiten, die Amtsperiode ist noch nicht aus. Es kann noch werden.“ Zum Rücktritt will Neugebauer Schmied daher nicht drängen.

Zuletzt war die Ministerin von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) heftig angegriffen worden. Ihr Bemühen, die Lehrer von AHS und berufsbildenden Schulen in Bundeskompetenz zu halten, sei „herzig“, hatte Pröll gesagt. Der Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz will die Bundeslehrer in die Kompetenz der Länder holen. Dazu Neugebauer: Prölls Forderung sei „vor allem mit dem Argument der Nähe zum Schulstandort zu belegen: Linz ist für eine Mühlviertler Schule, Innsbruck für eine aus Telfs näher als der Minoritenplatz.“

Bis dieser zähe Konflikt um Landes- und Bundeskompetenzen gelöst ist, solle sich Schmied aber endlich den Plänen aus dem Regierungsprogramm widmen, fordert Neugebauer. Weiter offen seien zum Beispiel die Bewertung und Konsequenz aus Hunderten Schulversuchen im Land, das Einsetzen von Arbeitsgruppen für eine höhere Sprach- und Lesekompetenz, Maßnahmen für mehr fremdsprachigen und bilingualen Unterricht, das flächendeckende Umsetzen von Best-practice-Modellen zur Begabtenförderung, ein besseres Frühwarnsystem bei drohenden Fünfern im Zeugnis sowie ein ausgedehnter schulpsychologischer Dienst nach internationalem Vorbild.

Sprachförderung, Bildungs-TV

Für diese Vorhaben, die zwischen Rot und Schwarz paktiert sind, brauche es „keine Zweidrittelmehrheit im Parlament oder sonst großen Aufwand“. Sie würden sich auch ohne viel Geld „schnell“ umsetzen lassen, ist Neugebauer überzeugt. Er wünscht sich aber auch innovative Maßnahmen, die über den Koalitionspakt hinausgehen. Um die politische Bildung von Jugendlichen voranzutreiben, sollten Ministerin Schmied und ihre ÖVP-„Spiegelministerin“, Wissenschaftsministerin Beatrix Karl, zum Beispiel Qualitätszeitungen an Schulen bringen oder wieder Bildungsfernsehprogramme mit dem ORF anbieten.

Schmieds Forcieren der Gesamtschuldebatte sei dagegen „Zeitvergeudung“, findet Neugebauer. Denn ohne Binnendifferenzierung – also die individuelle Förderung von Schülern – sei eine gemeinsame Schule bis 14 nicht sinnvoll, dies würde aber ein Drittel mehr kosten als das jetzige System mit Hauptschulen und AHS-Unterstufen.

Dass ÖVP-Ministerin Karl auf ein „Gymnasium für alle“ drängt, nehme er zur Kenntnis. Eine solche gemeinsame Schule bis 14 sei in seiner Partei aber „nicht mehrheitsfähig“, sagt Neugebauer an die Adresse Karls, die zurzeit die ÖVP-interne Debatte über die künftige Bildungspolitik der Partei koordiniert.

Rückenwind für Schmied kommt von den Elternverbänden: Sie wollen am Montag einen Forderungskatalog vorlegen – gegen eine „Verländerung“ von Lehrern. Ende der Serie

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2010)

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