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Abseits des Einerleis: Fünf tolle Animationsfilme auf Netflix, Amazon & Co.

Die für den Oscar nominierten Animationsfilme zeichnen ein recht einheitliches Stilbild. Dabei gibt es Ausreißer und übergangene Geheimtipps, die sich ästhetisch aus dem Fenster lehnen. Fünf Empfehlungen.

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Wolfwalkers

Formschöne Werwolfparabel, 2020
Zu sehen auf Apple TV+

Die jüngsten Oscarnominierungen für den „besten Animationsfilm“ erwecken wie so oft den Eindruck, dass es kaum Neues unter der Sonne gibt. Neben zwei Pixarfilmen und einem Abenteuer mit Schaun, dem allseits beliebten Schaf, sorgt nur ein chinesisches Fantasy-Märchen im Dreamworks-Stil für moderate Abwechslung – und die irische Produktion „Wolfwalkers“. Schöpfer Tomm Moore ist zwar längst kein Unbekannter mehr, sein malerischer Stil hebt sich aber immer noch markant vom üblichen Zeichentrickeinerlei ab. Sein neuester Wurf ist eine formschöne Werwolfparabel voller betörender Naturzauberei, die erzählerisch gegen Ausgrenzung anheult und auch für furchtloses Jungpublikum geeignet ist.

Bombay Rose

Zu sehen auf Netflix

Stilistische Vielfalt ist nicht die Stärke des kommerziellen Animationsfilmwesens der Gegenwart. Man könnte fast von „Pixarisierung“ sprechen: Egal, wohin man schaut, überall die gleiche Mischung aus glatten Oberflächen, geschmeidigen Bewegungen und süßen Cartoonfiguren mit Disney-Glubschaugen. Alles, was nach Handzeichnung aussieht, sticht automatisch heraus, und man kann Netflix zugutehalten, dass der Streaming-Anbieter periodisch Beispiele für alternative Animationsformen in sein laufendes Programm einpflegt.

Etwa das düstermelancholische Jugendporträt „I Lost My Body“ (2019), oder die indische Romanze „Bombay Rose“ (deren Festivalpremiere auch schon ein paar Jahre her ist). Das Zeichentrickregiedebüt der Schauspielerin Gitanjali Rao klingt auf dem Papier wie reinster Bollywood-Kitsch – ein Straßenhändler verliebt sich in eine Blumenverkäuferin, die von einem fiesen Zuhälter bedrängt wird –, nutzt die Liebesgeschichte aber für ein detailsattes, sozialkritisches Milieuporträt. Und fertigt es aus pastelligen Farbflächen, die sich den Gefühlen der Protagonisten anzupassen scheinen. Stimmungsbilder, in denen man sich angenehm verlieren kann – sofern man sich auf den mäandernden Erzählrhythmus einlässt.

Weathering With You

Mitreißende Selbstsuche, 2019
Zu sehen auf Amazon

Auch in Japan werden weiter fleißig animierte Gustostücke produziert, doch abseits von Hayao Miyazaki nimmt die Oscar-Academy kaum Notiz davon. Vielleicht liegt es am normierten Zeichenstil vieler Animes? Auch Makoto Shinkai folgt dessen Grundregeln. Dennoch sind seine Filme einzigartig in ihrer zügellosen Gefühlsintensität: Das Melodram beginnt bei ihm meist im Profanen, Alltäglichen, und nimmt dann sukzessive fantastische Züge an. In seinem neuesten Film ist es übernatürliche Wetterlenkung, mit der die Hauptfiguren, zwei Jugendliche auf Selbstsuche in Tokio, ihren unbändigen Leidenschaften bildgewaltigen Ausdruck verleihen. Oft humorvoll, manchmal bittersüß, immerzu mitreißend wie ein Regenschwall.

Spider-Man: Into the Spider-Verse

Kunterbuntes Coming-of-Age, 2018
Zu sehen auf Netflix

Als „Spider-Man: Into the Spider-Verse“ 2019 den Animationsfilmoscar gewann, bejubelten das einige als Mini-Sensation. Zum ersten Mal seit acht Jahren hatte eine Produktion triumphiert, die nicht den Pixar-Werken entstammt. Und dann noch eine, die sich ästhetisch ein Stück weit aus dem Fenster lehnt, mit kunterbunten Paralleldimensionen, die blinken und funkeln wie im Computerspiel, mit wunderlichen Nebenfiguren und surrealen Stilschnörkeln. Näher betrachtet merkt man, dass auch hier Konvention regiert: „Spider-Verse“ ist ein klassisches Coming-of-Age Stück in bewährter Comic-Manier, die visuelle Aufmachung epigonal – aber Spaß macht die beschwingte Sache trotzdem.

World of Tomorrow

Surrealer Geheimtipp, 3 Folgen
Zu Leihen und Kaufen auf Vimeo

Wenn der Durchbruch eines Künstlers “Rejected” (Abgelehnt) heißt, weiß man, dass er Ironie im Blut trägt. Doch das Schöne am Kalifornier Don Hertzfeldt ist, dass sie bei ihm selten die Oberhand gewinnt. Im Kern eignet all seinen Arbeiten, so grotesk und aberwitzig sie auch sein mögen, eine tiefe Ernsthaftigkeit, eine existenzielle Dramatik, die sich mit jedem Charlie-Kaufman-Film messen kann. Sonst würde man sich vielleicht wundern, wie seine surrealen, auf den ersten Blick kruden und sinnfreien Strichmännchengeschichten, die oft wie Internet-Clips wirken, für Kurzfilm-Oscars nominiert werden können. Heuer ist das Hertzfeldt leider nicht gelungen. Schade: Auch der dritte Teil seiner laufenden “World of Tomorrow”-Trilogie beeindruckt bei aller oberflächlichen Einfachheit mit dichter Atmosphäre und beachtlicher Erzählambition. Wieder spielt er in einer scheinbar gefühlsleeren Zukunft, in der die Medialisierung unserer Welt unheimlich weit fortgeschritten ist: Erinnerungen sind ein digitales Konsumprodukt, Identität eine Frage des Geldes, Zeitreisen rein touristischer Zeitvertreib. Hier suchen orientierungslose Klone nach Spuren ihrer verlorenen Seelen (was oft witziger ist, als es klingt). Alle drei Teile dieses dystopischen Mini-Epos stehen auf Hertzfeldts Vimeo-Seite zu Leih und Kauf bereit:
https://vimeo.com/donhertzfeldt

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