So stellt man sich seinen Schädel von außen vor. Und wie war er innen?
Wissenschaft

Ins Hirn der Neandertaler!

Warum die Cousins gingen, als unsere Ahnen kamen, wird immer rätselhafter. Nun sollen Gehirn-Organoide von uns mit Genen von ihnen helfen.

Ihr Neandertaler ist vermutlich ein Idiot; keltischer Herkunft sicher.“ So urteilte der Anthropologe Franz Pruner 1863, und der Biologe Ernst Haeckel schlug für das fragliche Lebewesen 1866 den Namen Homo stupidus vor. Damit reihten beide immerhin in die Menschheit ein, was 1856 ans Licht gekommen war, in einem Steinbruch in einem Tal in der Nähe von Düsseldorf, das seinen Namen von einem Herrn Neumann hatte, einem Pastor und Dichter frommer Weisen, der dort im 17. Jahrhundert gern spazieren gegangen war und seinen Namen gräzisiert hatte, zu Neander.

Aber dass der dort gefundene Schädel der eines neuen Menschen sein könnte, stieß weithin auf Ablehnung, frühere Fossilien ähnlicher Art in Belgien und Gibraltar hatte man Affen zugeordnet. Dorthin wollten viele auch den Neuen verweisen, der Kirche war er unwillkommen, der Wissenschaft überwiegend auch, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Schädel als der eines Menschen anerkannt, der eines anderen Menschen: Im Körper und vor allem im Gesicht sei er ungeschlacht gewesen – im Gegensatz zu Homo sapiens, den Anthropologen aufgrund seiner grazilen Gestalt auch „moderner Mensch“ nannten –, und im Kopf eben so, wie Haeckel ihn abgetan hatte.

Aber stupide kann er nicht gewesen sein, der Cousin, dessen Wege sich von denen unserer Ahnen vor 700.000 Jahren getrennt hatten und der nicht in Afrika lebte, sondern im lebensfeindlichen Europa, das regelmäßig von Eiszeiten überzogen wurde. Die überlebte er, aber als unsere Ahnen aus Afrika in Europa einzogen, vor 45.000 Jahren, konnte er sich nicht lang halten, vor 13.000 Jahren ging der Letzte.

Warum, ist bis heute ungeklärt, Spuren von Kämpfen mit oder gar Gemetzeln durch H. sapiens gibt es nicht. Also konnte es nur daran gelegen haben, dass er uns bzw. unseren Ahnen intellektuell so unterlegen war, dass er verdrängt wurde. Das war das nächste Kapitel der Distanzierung: Seine Techniken seien wenig elaboriert gewesen, seien es die der Jagd, seien es die der Kultur: Zur Ernährung sei er nur hinter Großtieren wie Mammuts her gewesen – während unsere Ahnen auch Kleinzeug wie Kaninchen nicht verschmähten und Fleisch durch pflanzliche Nahrung ergänzten –, und einen Sinn für Schönes oder symbolisch Geladenes habe er schon gar nicht gehabt.

All das erodierte, die Speisekarte der Neandertaler war so reichhaltig wie unsere, das belegten Knochen in seinem Hausmüll, das belegten auch versteinerte Fäkalien – Koprolithen –, in denen sich reichlich Spuren von Pflanzen fanden (PloS One 0101045). Und seine Schmuckschatulle war auch nicht schmal, sie reichte von Adlerkrallen in den Bergen Italiens bis zu perforierten Muschelschalen in Gibraltar. Wieder andere bemalten in Spanien Höhlenwände, und noch einmal andere bestatteten möglicherweise sogar ihre Toten, diese Mutmaßung kommt immer wieder, zuletzt durch Antoine Balzeau (Paris) anlässlich eines Funds in der Dordogne (Scientific Reports 10: 21230), die Belege sind allerdings dünn.

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