Neurokognition

Durchsichtige Masken für Hörgeschädigte?

Die Masken der Pandemie verschärfen die soziale Isolation Schwerhöriger.
Die Masken der Pandemie verschärfen die soziale Isolation Schwerhöriger.REUTERS
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Schwerhörigkeit geht oft mit sozialer Isolation einher. Die Masken der Pandemie verschärfen das Problem. Salzburger Forscher untersuchen, inwieweit visuelle und akustische Signale im Gehirn korrelieren.

„Wer im Alter zwischen 45 und 65 unter Hörverlust leidet, hat ein hohes Risiko, später an Demenz zu erkranken“, erklärt Nathan Weisz, Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Salzburg. Für umso wichtiger hält er es, Hördefizite möglichst früh zu erkennen und auszugleichen. Neben unmittelbar mit Hörverlust einhergehenden Problemen wie vermindertem Sprachverständnis oder Tinnitus untersucht er gemeinsam mit Anne Hauswald am Zentrum für Neurokognitive Forschung der Universität Salzburg Gehirnprozesse, die audiovisueller Signalverarbeitung unterliegen.

In vielen Hörsituationen geht die akustische Verarbeitung von Sprache einher mit der Beobachtung von Mundbewegungen, die für Hörgeschädigte eine wichtige Quelle darstellen, um ihre Defizite auszugleichen. Aktuelle Arbeiten der Gruppe zeigen, dass das Gehirn allein durch die visuelle Verarbeitung der Mundbewegungen zahlreiche feinteilige akustische Informationen erschließen kann, die das Hören in schwierigen Situationen unterstützen. Seitdem die Coronapandemie den Mund-Nasen-Schutz im öffentlichen Raum notwendig gemacht hat, fallen diese Informationen weg. Besonders in Situationen mit mehreren Sprechern und Hintergrundgeräuschen nimmt das Hörverständnis ab.

Wenn die visuelle Info fehlt

Finanziert durch die „Akutförderung Sars-CoV-2“ des Wissenschaftsfonds FWF können Weisz und Hauswald die Problematik näher beleuchten. „Mehr öffentliche Sensibilität für die Situation oder die Zertifizierung durchsichtiger Masken mit FFP2-Standard könnten den Betroffenen beispielsweise helfen“, so Hauswald.

In einer dreiteiligen Studie untersuchen die Salzburger Forscher, wie sich die Verarbeitung des Hörsignals im Gehirn durch fehlende visuelle Information verändert. Sie greifen dabei auf Ergebnisse der Grundlagenforschung zurück, die Hauswald bereits als Postdoc an der Universität Trient durchführte. „Nun stellen wir die Frage, inwieweit derartige Prozesse gerade in schwierigen Hörsituationen das Sprachverständnis unterstützen“, erklärt sie.

In einer Vorstudie wird getestet, wie das Sprachverständnis und die neuronale Repräsentation akustisch relevanter Informationen bei normal Hörenden beeinträchtigt werden, wenn der Mund durch einen MNS abgedeckt ist und wenn ein gleichzeitig präsentierter Sprecher stört. Die Ableitung von Gehirnaktivität erfolgt mittels Magnetoenzephalographie (MEG). Eine adaptierte Version dieses Experiments wird dann an einer großen Stichprobe von 100 Personen mit unterschiedlich ausgeprägtem Hörverlust durchgeführt. Die Forscher gehen davon aus, dass vor allem bei diesen Menschen ein bedeutsamer Anteil relevanter akustischer Informationen aus der Verarbeitung der Mundbewegungen erfolgt.

Von Nutzen sein könnten die Ergebnisse auch im Hinblick auf Hörimplantate (siehe Lexikon), die je nach Träger unterschiedlich wirken. Weisz: „Insgesamt ist der durch das Cochlea-Implantat vermittelte Höreindruck kein natürlicher, dennoch erlangen viele Individuen mit Implantat ein erstaunliches Sprachverständnis. Andere profitieren allerdings wenig davon.“ Eine Erklärung dafür könnte in den visuell-phonologischen Transformationsprozessen im Gehirn liegen, die helfen, dem robotischen Klang einen Sinn zu geben, vermutet der Psychologe.

LEXIKON

Cochlea-Hörimplantate übersetzen als elektronische Innenohrprothesen den akustischen Input und stimulieren den Hörnerv. Sie umgehen den beeinträchtigten Teil des Innenohrs. Das Hören wird neu gelernt.

Der Erfolg eines Implantats ist abhängig von der Person und vom Zeitpunkt des Eingriffs. Je nachdem klingt der Höreindruck dann blechern oder robotisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2021)

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