„Swedishness“ ist cool und total gloab, ob zum Hören, Lesen, Möblieren oder zum Anziehen.
Schweden sind gnadenlos. Gnadenlos sympathisch. Wo immer sich in der Alltagskultur ein Geschäftsfeld auftut, bieten sie der Welt etwas an, das ihr gefällt. Schwedische Popmusik findet jeder nett, Stieg Larsson lesen sogar Literaturkritiker, von H&M hat man zumindest Socken daheim, und Ikea... so viele böse Bücher über Gründer Kamprad kann es gar nicht geben, dass sie den Menschen ihr Sentiment für Billy-Regale austrieben.
Und sie haben ja nicht unrecht, die Schweden-Fans. Ein Grund für den Erfolg in Blau-Gelb ist, dass er auf soliden Grundlagen fußt: In den 1950ern wurden kostenlose kommunale Musik-und Kunstschulen eingerichtet und so in der Bevölkerung eine Affinität für Design und Sound geschaffen. Was wiederum gut zu den Forderungen der Arts-and-Crafts- oder der Bauhaus-Bewegung passte, die Ikea so gern zitiert: leistbare, praktische Schönheit für alle. Insofern war es keine Überraschung, dass das schwedische Modewunder zunächst ein jeansblaues war: mit Marken wie Acne oder Cheap Monday.
Was die günstigen Preise, sprich den Hang zum Massendiskonter/Großkonzern betrifft, muss man bedenken, dass Schweden ein Hochlohnland und kleiner Markt ist: Outsourcing und Export spielten früh eine große Rolle, Schweden denken schon lange global. Vielleicht ist das auch der Trick: Schwedische Möbel, Mode oder Songs sind in Wahrheit nicht sehr schwedisch. Vielmehr sind sie unter dem Image-Makeup, dieser oft dick aufgetragenen Heile-Welt-„Swedishness“, total global. So ist Schweden weltweit der drittgrößte Exporteur (akzentfreier) englischsprachiger Popmusik. Und Ikea? Hat viele Möbelklassiker der Moderne, ähm, neu interpretiert. Wie schwedisch ist also Ögla vulgo Thonet?
Am ehesten findet man „das Skandinavische“ wohl noch im Lokalkolorit der Krimis, deren Strom seit Mankell nicht abreißt. Zweierlei fällt hier auf. Erstens: Jeder Krimiautor ist auch Sozialkritiker. Zweitens: In einem der friedlichsten Länder mag man es düster und blutig. Allerdings verständlich, oder? Bei so viel gnadenloser Sympathie muss man im Kopf einfach ab und zu ein paar Morde begehen.
(Uw - "Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2010)