Das sozialdemokratische Sehnsuchtsland

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Wie Österreich wurde, was Schweden schon war. Vor allem SPÖ-Politiker wie Bruno Kreisky ließen sich vom »Folkhemmet« inspirieren. Aber auch für viele andere Sozialdemokraten war Schweden das Sehnsuchtsland.

„Als ich an einem düsteren Herbsttag zum ersten Mal schwedischen Boden betrat, reute es mich sehr, dass ich das freundliche Dänemark bereits nach einer Woche verlassen hatte“, schrieb Bruno Kreisky in seiner Biografie über seine Flucht im Jahre 1938. Doch Schweden sollte die politische Liebe seines Lebens werden. Und auch die private: Er heiratete eine Schwedin.

Nicht nur für Kreisky, für viele Sozialdemokraten war Schweden das Sehnsuchtsland: ein Agrarland wie Österreich, in dem Sozialdemokraten mit einer moderaten, modernen Politik mehrheitsfähig werden konnten. Der Wohlfahrtsstaat, „Folkhemmet“, gerne mit „Volksheim“ übersetzt (heißt aber eigentlich „Volksheimat“), war ebenso ein Vorbild wie die Neutralität und die keynesianische „Stockholmer Schule“ um Gunnar und Alvar Myrdal und Dag Hammerskjöld. Der schwedische Ansatz, die Wirtschaftskrise der 20er- und 30er-Jahre mit gigantischen Infrastrukturinvestitionen, etwa in den Wohnbau, zu überwinden, galt als richtungsweisend. In Wien ist sogar ein großer Gemeindebau nach Per Albin Hansson, dem Führer der schwedischen Sozialdemokratie zu Kreiskys Exil-Zeiten, benannt. Die Demokratisierung der Gesellschaft im Norden und auch der positive Patriotismus der Schweden gefielen vielen Sozialdemokraten, die sonst ein eher distanziertes Verhältnis zum Vaterland hatten.

Historiker wie Tony Judt sprachen gar von einem „austro-skandinavischen Modell“, in den 70er- und 80er-Jahren von der Achse Bruno Kreisky/ Olof Palme getragen: Vollbeschäftigung, Wohlfahrtsstaat, Neutralität. Wobei die Schweden wesentlich mehr in die Landesverteidigung investierten als die Österreicher. In den 90er-Jahren versuchte dann der damalige SPÖ-Kanzler Viktor Klima diese rote Achse – unter anderen Vorzeichen – mit Göran Perrson aufrechtzuerhalten. Doch im Gegensatz zum Schweden scheiterte Klima mit der Reform des Wohlfahrtsstaats – an seiner Partei und der Gewerkschaft.

Heute ist es vor allem ÖVP-Chef Josef Pröll, der sich gerne mit seinem schwedischen Gegenüber zeigt: Fredrik Reinfeldt ist allerdings nicht nur der Chef der Konservativen in seinem Land, sondern auch Ministerpräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2010)

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