Demo am Heldenplatz: Allianz für einen "Kurswechsel"

(c) Michaela Bruckberger
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Rund um den Wiener Heldenplatz regte sich am Samstag der Widerstand der Zivilgesellschaft. Es war ein Protest gegen die Bildungs- und Sozialpolitik der Regierung – und für einen raschen "Kurswechsel".

Bunte Transparente, Trillerpfeifen und laute Sprechchöre gegen Bildungs- und Sozialabbau: Die Zivilgesellschaft ließ am Samstagabend ihre Muskeln spielen. Unter dem Titel „Machen wir uns stark“ gingen in Wien die Menschen auf die Straße, um ihrem Unmut über die derzeitige Politik des Landes Luft zu machen.

Ihre Befürchtung: „Die Zukunftsthemen würden im politischen Parteien-Hickhack den Bach hinuntergehen“, so Mitinitiator Willi Resetarits. Um das zu verhindern, wollte man noch vor Beginn der für Oktober angesetzten Budgetverhandlungen ein deutliches Zeichen setzen. Gefordert wurde ein Kurswechsel in Sachen Bildungs-, Sozial- sowie Asyl- und Fremdenpolitik. Ob der von der Regierung eingeschlagene Weg korrigiert werden kann, bleibt abzuwarten. Proponentin Romi Grasgruber, Organisatorin der im Jahr 2009 veranstalteten Lichterkette, glaubt an die Kraft der Zivilgesellschaft. „Wir haben das Potenzial, politischen Druck aufzubauen.“

Und genau das tat man gestern vor den Toren des Wiener Heldenplatzes. Die Studierenden eröffneten die Protestaktion. Bereits am Nachmittag traf sich der harte Kern vor der Uni Wien, die auch im Vorjahr Ausgangspunkt von Protesten war. An die besten Zeiten des Studentenaufstandes konnten die angetretenen ÖH-Funktionäre und Aktivisten der Protestbewegung nicht anschließen – zu Beginn waren nur knapp mehr als hundert Studenten gekommen, die unter der Parole „Niemand profitiert, wenn die Bildung verliert“ in Richtung Heldenplatz zogen.

Der Ärger der Studenten richtete sich vor allem gegen Uni-Ministerin Beatrix Karl – sie schwebte in einer Fotomontage als Geier über den Köpfen der Demonstranten und der „Bildungswüste“ Österreich. „Die Bildung wird von der Politik ausgetrocknet“, so ÖH-Chefin Sigrid Maurer zur „Presse“. Und ja, Karl sei „wohl tatsächlich wo angerannt“, wenn sie die Missstände im System erst jetzt erkenne, so Maurer in Anlehnung an den Sager von Wiens Bürgermeister Michael Häupl in der Vorwoche. Das Bildungsbudget sei allgemein kräftig zu erhöhen, so die Forderung der Initiative. Bildung sei „ein Recht, kein Privileg“, stand auf den Transparenten zu lesen, die Hochschulen seien „garantiert ruiniert“.

Von Düringer bis Stöckl

Wenig später startete auch die Armutskonferenz ihre Protestaktion. Mit der derzeitigen Situation ist man unzufrieden: Eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes und der Jobs, von denen man leben kann, wurde gefordert.

Getragen und finanziert wurde die Kundgebung von über 3000 Bürgern sowie einem Proponentenkomitee aus Wirtschaft, Kultur und NGOs. Neben zahlreichen Kabarettisten wie Florian Scheuba und Roland Düringer unterstützten auch viele Wirtschaftstreibende wie Hans Staud die Initiative. Im Personenkomitee ist auch ÖGB-Präsident Erich Foglar. Er macht sich „gegen Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung“ stark. Dass sich somit auch einer der Sozialpartner gegen die Regierung stellt, ist bezeichnend. Mit ihm standen ORF–Moderatorin Barbara Stöckl, Unternehmer Rudolf Semrad sowie der mehrmalige Sportler des Jahres Thomas Geierspichler auf der Bühne.

Startschuss des Hauptprogramms war um 18 Uhr. Neben den klassischen Reden wurden zahlreiche Vertreter von Initiativen zu sogenannten Tischgesprächen gebeten. Sie berichteten über ihre Arbeit in der Pflege, im Bildungswesen oder mit Flüchtlingen. Allgemeiner Tenor: Die permanente Verschärfung der Asylgesetze müsse gestoppt werden. Ein eigenes Ressort für Diversität und Integration soll dabei helfen, Asylpolitik nicht weiter als Polizeisache zu sehen. Die Vielfalt der Gesellschaft sei eine Chance. Das versuchte auch das musikalische Rahmenprogramm zu unterstreichen. Neben österreichischen Musikgrößen wie Wolfgang Ambros standen auch viele Musiker mit Migrationshintergrund auf der Bühne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2010)

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