Fast zu gut, um wahr zu sein: Väter in Karenz, gleichberechtigte Frauen, willkommene Zuwanderer und entschlossene Reformer des Wohlfahrtsstaats.
Billy, Volvo, Wilde Erdbeeren, Agneta, Anni-Frid, Benny und Björn, Pippi, Wallander und Knäckebrot. Die Welt hat den Schweden so einiges zu verdanken. Auch politisch: Es waren die harmoniebedürftigen Nachfahren der Wikinger, die die Sozialpartnerschaft erfunden haben. 1938 schlug in Saltsjöbaden die Geburtsstunde eines Wohlfahrtsstaats, der auch Unternehmen mit globalen Ambitionen alle nötigen Freiheiten ließ. Eine Erfolgsgeschichte. Über Jahrzehnte galt Schweden als das gelobte Land für Europas gemäßigte Linke.
Nirgendwo anders schienen Sozialleistungen großzügiger, das Kindergartennetz dichter, die Frauen gleichberechtigter zu sein. Mittlerweile sind die Sozialdemokraten, die Schweden seit 1932 insgesamt 65 Jahre regiert haben, entzaubert. Das „schwedische Modell“ aber gibt es immer noch. Gewandelt, auf einem solideren Finanzfundament. Kaum ein Land hat seinen Sozialstaat umsichtiger reformiert als Schweden.
An der Spitze der Regierung steht heute ein Bürgerlicher, der sich als Kind des „Wohlfahrtsstaats“ bezeichnet: Fredrik Reinfeldt. Sein Vier-Parteien-Bündnis wird allen Umfragen zufolge auch nach der Wahl am heutigen Sonntag an der Macht bleiben. Reinfeldt, Chef der „Moderaten“ (ein sehr schwedischer Parteiname), ist inzwischen eine Art Guru für europäische Konservative, die sich modern geben wollen. Wieder so ein schwedisches Modell.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2010)