Wo Zuwanderung nur wenige aufregt

(c) AP (Hans Punz)
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14 Prozent der Schweden sind im Ausland geboren. Jeder Dritte hat Wurzeln in einem anderen Land. Stören tut das in Schweden jedoch nur eine Minderheit.

Die Meinungsforscher haben dieser Tage die Schweden gefragt, wie sie zur Einwanderung stehen. Schließlich sind 14 Prozent der Bevölkerung im Ausland geboren, und bald jeder Dritte hat Wurzeln in einem anderen Land.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Klischee von der Oase in einem Meer der Fremdenfeindlichkeit nicht ganz verkehrt ist: Zwei von drei bezeichnen die starke Zuwanderung der letzten 50 Jahre generell als positiv, nur elf Prozent sehen den Islam als großes Problem. 80 Prozent hätten nichts dagegen, wenn ihr Kind einen Flüchtling oder Einwanderer heiratet. In der Liste der wichtigsten Fragen vor den Wahlen am Sonntag wurde „Einwanderung/Integration“ von den Befragten weit hinten gereiht, nach dem Tierschutz. Was nicht heißt, dass es in Schweden keine Integrationsprobleme gebe. Denn die gibt es. Manche Vororte der Großstädte sind zu Ghettos geworden, in denen kaum jemand Schwedisch spricht und die Kriminalitätsrate enorm ist. Das gibt den xenophoben „Schwedendemokraten“ Zulauf, die erstmals in den Stockholmer Reichstag einziehen dürften.

Doch dort bleiben sie Außenseiter: Keine andere Partei will mit ihnen zusammenarbeiten, und nur sie sehen „Einwanderungsstopp“ als Lösung für alle Probleme. Zwar hat die bürgerliche Regierung die Zuwanderungsregeln verschärft. Doch Schweden ist weiterhin das großzügigste Asylland der EU und verficht eine gemeinsame, humane Asylpolitik. Vielleicht, weil man hier einst selbst erlebt hat, was es heißt, aus Not die Heimat verlassen zu müssen: Jede schwedische Familie hat Ahnen, die anfangs des 20. Jahrhunderts vor dem Hunger nach Amerika flohen.

Dort, wo die internationale Hilfe in Zahlen gemessen werden kann, ist Schweden Spitze. Das Land erfüllt das UN-Ziel, 0,7 Prozent des Sozialprodukts für die Dritte Welt zu geben, nicht nur, sondern übertrifft es gar. Daran rüttelt auch die bürgerliche Regierung nicht. 2010 wird Schweden 1,01 Prozent des BSP für die Entwicklungshilfe ausgeben. Das ist Weltrekord.

(Gam - "Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2010)

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