Interview mit Adrian Zenz

EU-Sanktionen: "Die Chinesen interpretieren das als Schwäche"

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Adrian Zenz ist in China so etwas wie ein Staatsfeind, seit Montag steht er auf einer chinesischen Sanktionsliste. Der Uiguren-Experte spricht über die Fehler der Europäer im Umgang mit Peking, seine Forschungen über die muslimische Minderheit und die Frage, ob Angela Merkel noch naiv oder schon dreist ist.

Lange Zeit war die muslimische Minderheit der Uiguren in China wohl nur wenigen Fachleuten bekannt. Nun ist sie in den Fokus gerückt: Dem chinesischen Regime wird vorgeworfen, die rund zehn Millionen Uiguren im Land brutal zu unterdrücken und auszubeuten. Mehrere westliche Nationen sprechen von einem „Völkermord", die Olympischen Spiele in Peking 2022 könnten boykottiert werden. Am Montag verhängte die EU wegen den Uiguren erstmals seit 1989 neue Sanktionen gegen China.

Adrian Zenz, 47, ist Anthropologe und der weltweit bekannteste Uiguren-Forscher. Seine Recherchen deckten das Ausmaß jenes Systems auf, das Peking in den Uiguren-Gebieten im Westen des Landes hochgezogen hat. „Die Presse“ erreichte den gebürtigen Deutschen am Montag per Telefon in seiner Wahlheimat, dem US-Bundesstaat Minnesota.

Die Presse: Herr Zenz, seit Montag stehen Sie auf einer Sanktionsliste der chinesischen Regierung, die als Retourkutsche an die EU gedacht ist. Was dachten Sie, als Sie erfuhren, dass Sie nun auf der Liste gelandet sind?

Adrian Zenz:
Das hat mich etwas überrascht. Ich bin deutscher Staatsbürger und Europäer, also ist es zwar objektiv logisch. Doch die Chinesen haben jetzt über Jahre hinweg versucht, mich als eine Art Handlanger der Amerikaner darzustellen. Diese Masche haben sie damit etwas kompromittiert.

Überrascht es Sie auch, dass Sie dem chinesischen Regimes so wichtig sind?

Suchen Sie mal nach meinem Namen in den Pressemitteilungen vom chinesischen Außenministerium, da werde ich fast 500 Mal genannt. Das ist zweieinhalb Mal so viel wie der Name Liu Xiaobo (der chinesische Dissident und Friedensnobelpreisträger, Anm.) oder der Name Joshua Wong (der Hongkonger Demokratieaktivist, Anm). Ich bin zu meiner eigenen Kategorie geworden.

Peking bezeichnet Sie wahlweise auf unterschiedlichsten Online-Kanälen als „Lügner“, „Rechtsextremen“ oder weist auf ihren Glauben als wiedergeborener Christ hin.

Im Zeitalter der Desinformation haben die sozialen Medien an Macht gewonnen. Damit muss man sich abfinden. Meine Arbeit ist für die Chinesen gefährlich, weil sie empirische Nachweise geschaffen hat, was die Kommunistische Partei (KP) in Xinjiang macht. Da sie nicht gegen die Daten und ihre eigenen Dokumente agieren konnte, schießt sie gegen meine Person. Meine Positionen sind konservativ, wenn auch nicht durchgehend. Es ist natürlich völliger Unfug, mich als rechtsradikal hinzustellen. Das Regime versteht nicht, dass ein Großteil der westlichen Gesellschaft so etwas als Quatsch durchschaut.

Können Sie sich vorstellen, dass man Ihnen auch einmal physisch droht?

Das ist nicht wie die Chinesen typischerweise agieren. Wäre es Russland, müsste man mit mehr rechnen. Es ist aber nicht von Vorteil für die chinesische Regierung, mich namentlich ins Visier zu nehmen und dann körperlich anzugreifen. Andererseits, ist die chinesische Propaganda gegen mich so lächerlich geworden, dass nichts auszuschließen ist. Meine Familie hat eine Reihe von persönlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, die ich aus Vorsicht aber nicht näher kommentieren möchte.

Kommen wir zu Ihrer Arbeit, die Ihnen die Aufmerksamkeit Pekings erst eingebracht hat. Sie haben geschätzt, dass eine Million Uiguren sich in Lagern befinden. Wie kommen Sie auf diese Zahl?

Meine Schätzung war, dass eine gewisse Zahl insgesamt zu irgendeinem Zeitpunkt einmal in einem Umerziehungslager war – inklusive derjenigen, die bereits entlassen wurden. Das sind natürlich alles nur Hochrechnungen. Das Wichtigste ist, dass man sieht, wie unfassbar groß diese Kampagne ist. Im Jahr 2019 ist es mir beispielsweise gelungen, interne Listen von Dörfern zu erhalten. Darauf waren über 5.000 Personen vermerkt und markiert, wer interniert ist oder war. Daraus konnte ich errechnen, dass in uigurischen Regionen bis zu 30 Prozent aller Erwachsenen im Lager waren. Es gibt diese Datenpunkte sowie Satellitenbilder, die einen drastischen Ausbau und Zunahme der Lager zeigen. Das lässt sich nicht leugnen.

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