Gastkommentar

Wie Journalisten zu Staatsanwälten werden

Peter Kufner
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Wenn das Zitieren aus Ermittlungsakten zum Selbstzweck wird, ist nicht selten eine beinhart exekutierte Vorverurteilung die Folge.

Justizministerin Alma Zadić bezeichnet das Zitieren von Medien aus Ermittlungsakten als „Grundpfeiler der Pressefreiheit“ und sagt, „dass die Öffentlichkeit von gewissen Vorgängen erfahren darf“. Es gehe für sie „auch um Beschuldigtenrechte“: „Beschuldigte sollen sich entsprechend – auch medial – zur Wehr setzen können.“
Als Staatsbürger war ich immer der Überzeugung, dass es dafür Gerichtsverfahren gibt, und bin einigermaßen überrascht, dass eine Justizministerin es befürwortet, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren über Medien zu führen.

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Um zu sehen, wie grotesk diese Ansicht ist, müssen wir einen Schritt zurückgehen: Eine Staatsanwaltschaft führt das Ermittlungsverfahren, trägt Belastendes und Entlastendes zusammen. Sie entscheidet auch darüber, ob aus einem Verdächtigten ein „Beschuldigter“ wird. Schon dieser Begriff ist irreführend, denn gleichzeitig gilt die oft und gern zitierte „Unschuldsvermutung“. In dieser Ermittlungsphase – die in Österreich oft viele Jahre dauert – sind wir weit entfernt von einer Anklage und einem Gerichtsverfahren. Trotzdem soll es schon in dieser Phase legitim sein, Teile der Ermittlungsakten an Medien weiterzugeben. In den meisten Fällen mit prominenten Beschuldigten schaut die Realität so aus, dass ausschließlich belastende Details ganz bewusst von Verfahrensbeteiligten an die Öffentlichkeit gespielt werden. Eine beinhart exekutierte Vorverurteilung ist die Folge. Noch bevor von der Justiz entschieden ist, ob überhaupt Anklage erhoben wird, hat die Öffentlichkeit bereits ein Urteil gesprochen: Schuldig.

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