BoF Sustainability Index

Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit: So steht es um die Modeindustrie

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind Schlagwörter, die die Modeindustrie besonders gerne für sich beansprucht. Der Nachhaltigkeits-Index von „Business of Fashion“ zeigt, was wirklich dahintersteckt.

Über Nachhaltigkeit und soziale Verwantwortung wird in der Modebranche so viel gesprochen wie nie zuvor. Doch ob es in dieser Hinsicht wirklich Fortschritte gibt, ist meist schwer einzuschätzen. Das Branchenportal "Business of Fashion" hat deshalb den "BoF Sustainability Index" veröffentlicht.

Verglichen wurden dabei die jeweils fünf größten Unternehmen (abgeleitet aus den Einnahmen im Jahr 2019) in den drei Bereichen Luxus, High Street und Sportmode. Jedes Unternehmen wurde anhand von 338 Kennzahlen in sechs Kategorien (Transparenz, Emissionen, Wasser und Chemikalien, Materialien, Rechte der Arbeiter, Abfall) anhand von 16 Umwelt- und Sozialzielen gemessen. Über 5000 Datenpunkte wurden so miteinander verglichen.

Durchschnittlich erhielten die Unternehmen 36 von möglichen 100 Punkten. Das lässt darauf schließen, dass die Nachhaltigkeitsrhetorik, etwa in der Werbung, aber auch in den Jahresberichten der Unternehmen, mehr Gewichtung hat als die tatsächlichen Maßnahmen. So zeigte sich auch bei der Auswertung, dass Informationen über die Ziele in den Bereichen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung viel leichter zu finden waren als Informationen darüber, wie diese Ziele tatsächlich erreicht werden sollten.

Das Fazit: Unternehmen müssen über das Setzen von Zielen hinausgehen und tatsächlichen Fortschritt in ihren Bemühungen präsentieren. Zur Zielsetzung gehört auch, dass aufgeschlüsselt wird, mit welchen finanziellen Mitteln diese umgesetzt werden sollen. In den Lieferketten fehlt es an Transparenz und qualitativen Daten. Hier sollte mehr auf die Arbeitnehmerrechte eingegangen werden. Hinzu kommt, dass Unternehmen die Balance zwischen finanziellem Wachstum und ökologischen und sozialen Herausforderungen finden müssen.

Ein Überblick über die sechs Kategorien

Transparenzanalyse

Transparenz ist besonders wichtig, um sinnvolle Veränderungen voranzutreiben und sicherzustellen, dass Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen, indem sie sich rechtfertigen müssen, sollten die Ziele nicht erreicht werden.

Viele Unternehmen haben zudem ihre internen Produktionsprozesse offengelegt und nicht ihre externen Lieferketten und Zulieferer. Unter den sechs Kategorien war Transparenz eine jener, in denen die Unternehmen am besten abgeschnitten haben.

Acht der 15 Unternehmen haben über 50 von 100 Punkten erreicht, Nike ist mit 71 Spitzenreiter, gefolgt von Kering (68) und Hermès (63). Die letzten drei Plätze gehen an Fast Retailing (27), Riechemont (20) und Under Armour (12).

Emissionen

Viele Unternehmen haben Standards für die Berichterstattung und Zielsetzung zum Thema Treibhausgasemissionen implementiert. Richemont, Under Armour und LVMH waren die einzigen Unternehmen in der Bewertung, die noch keine Ziele zur Reduzierung der Emissionen festgesetzt haben.

Levi Strauss & Co liegt mit 78 von 100 Punkten auf Platz eins, gefolgt von VF Corp (74) und PVH Corp (70): Auf den letzten drei Plätzen landen Fast Retailing (26), Richemont (13) und Under Armour (0).

Wasser und Chemikalien

Der Einfluss der Modeindustrie auf die globale Wasserversorgung ist groß. Ob Wasserintensive Baumwollfarmen, Pestizide, die für die Verarbeitung von Materialien und Farbstoffen eingesetzt werden, bis hin zu Mikrofasern, die durch das Waschen in den Ozeanen wieder auftauchen.

Zwei Drittel der Unternehmen sind Mitglieder von ZDHC, einer Organisation, die sich für Mindeststandards in puncto Verschmutzung einsetzt. Weniger als die Hälfte der Unternehmen hat jedoch keine quantitativen oder zeitlich gebundenen Ziele definiert, um den Wasserverbrauch und auch die Verwendung von Chemikalien zu reduzieren.

Kering liegt mit 53 Punkten vorne, gefolgt von Gap Inc (50) und Nike (50). Auf den drei letzten Plätzen landen Hermès (21), Richemont (8) und Under Armour (1).

Materialien

Die meisten Kleidungsstücke der Welt werden mit fossilen Brennstoffen hergestellt. Polyester auf Ölbasis ist das am häufigsten verwendete Gewebe der Welt, mit fast 60 Millionen Tonnen, die 2019 produziert wurden. Die zweitbeliebteste Faser ist Baumwolle, ein Produkt mit einem komplizierten ökologischen Fußabdruck.

Alle im Index untersuchten Unternehmen gaben an, dass sie auf Zertifizierungen achten, wenn es darum geht, nachhaltiger zu produzieren und nachhaltigere Rohstoffe zu beschaffen. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen hat darüber hinaus Ziele implementiert, die darauf abzielen, Schlüsselmaterialien bis 2025 auf zertifizierten Quellen zu beziehen.

Viele Unternehmen geben an nicht zu wissen, woher ihre Rohstoffe kommen und können so auch nicht gegen Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten vorgehen. Außerdem haben zwar fast alle Unternehmen Kollektionen mit recyceltem Polyester lanciert, aber nur vier haben auch das Ziel, diese Polyester vollständig mit der recycelten Alternative zu ersetzen.

Kering hat mit 64 von 100 Punkten die Nase vorne, gefolgt von H&M Group (44) und Adidas (38). Die drei Schlusslichter sind Fast Retailing (18), Richemont (13) und Under Armour (9).

Rechte der Arbeiter

Diese Kategorie ist unter jenen, die im Index am schlechtesten abgeschnitten haben. Zwar haben alle Marken eine Unternehmenskultur zur Wahrung der Arbeitnehmerrechte implementiert, die Ausbeutung von Arbeitern ist aber nach wie vor systemisch in den Lieferketten implementiert.

Die Unternehmen setzen weiterhin fast ausschließlich auf freiwillige Initiativen und private Prüfunternehmen, was eher einem Feigenblatt gleichkommt, als wahre Veränderungen herbeizuführen.

Inditex schnitt mit 51 von 100 Punkten am besten ab, gefolgt von Nike (37) und Puma (36). Auf den letzten drei Plätzen sind Richemont (18), Under Armour (18) und LVMH (17) zu finden.

Abfall

Jedes Jahr landen etwa 40 Millionen Tonnen Kleidung im Müll. Fast Fashion sorgt dafür, dass viel gekauft wird, die Kleidung aber weniger lang getragen wird. Auch die Überproduktion ist ein Problem. So werden nur etwa 60 Prozent der Kleidung zum vollen Preis verkauft. Zirkularität ist ein beliebtes Schlagwort. Dabei wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass alle Produkte zu neuen recycelt werden können. Ganz ohne Abfall. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Diese Kategorie war besonders schwer zu messen, da die Unternehmen zwar Ziele zur Reduktion von Wasser und Plastik haben, diese aber auch inkonsistent sind.

Nur sechs Unternehmen bieten Resale-Programme an, nur VF Corp und H&M Group bieten auch Mietprogramme an. Zwei Drittel der Unternehmen haben zwar Rücknahme-Programme, aber es gibt kaum Informationen darüber, wie viel gesammelt wird und was mit den Kleidungsstücken passiert.

Nike findet sich 37 von 100 Punkten auf dem ersten Platz, gefolgt von H&M Group (36) und Kering (32). Schlusslichter sind LVMH (18), Under Armour (14) und Richemont (12).

(chrile )

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