Gerichtsbetrieb

Justiz: Präsenzverhandlungen nur in dringenden Fällen

(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Die Richtervereinigung zeigt sich ob der aktuellen Corona-Situation „in großer Sorge“ und appelliert, in Gebieten mit hoher Inzidenz nur noch dringend gebotene Präsenztermine anzusetzen. Am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen wurde eine publikumsträchtige Verhandlung bereits abberaumt.

Richter-Präsidentin Sabine Matejka sieht die aktuelle Corona-Situation "mit großer Sorge". In Gebieten mit hoher Inzidenz lasse es sich kaum noch verantworten, Präsenzverhandlungen mit vielen Beteiligten oder dafür nötiger Reisetätigkeit von Parteien bzw. Zeugen durchzuführen. Deshalb appelliert die Richtervereinigung an die Kollegen, in solchen Regionen nur dringend gebotene Präsenztermine anzusetzen - und drängt auf Impfungen in der Justiz.

Verhandlung am Wiener ZRS abberaumt

Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) hat auf die gegenwärtigen Infektionszahlen bereits reagiert. Die erste, für 9. April anberaumte Schadenersatzklage in der Causa Ischgl - Hinterbliebene eines Mannes, der sich im Skiurlaub in Ischgl infiziert haben soll und kurze Zeit später verstarb - wurde am Donnerstag abberaumt. Neuen Termin gibt es vorerst keinen.

Ausschlaggebend für die Absage war "die eher bedenkliche Entwicklung in Wien, was das Infektionsgeschehen betrifft", wie Beatrix Engelmann, Vizepräsidentin und Sprecherin des ZRS, am Donnerstag meinte. Die zuständige Richterin habe angesichts des medialen Interesses mit regem Publikumsandrang rechnen müssen und befunden, dass in der aktuellen Situation die Durchführung einer derart publikumsträchtigen Verhandlung nicht zu verantworten sei. "Gerade in einem Verfahren, wo Vertretern der Republik Österreich sorgloses Verhalten vorgeworfen wird, ist die Justiz umso mehr verpflichtet, Sorgfaltsmaßnahmen zum Schutz der Leute zu treffen, die zur Verhandlung kommen müssen bzw. wollen", sagte Engelmann.

Matejka drängt auf rasche Impfung

Die rund 400 Richterinnen und Richter, die regelmäßig Termine in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder mit Hausbesuch bei alten und schwer kranken Menschen erledigen müssen, und die rund 200 Gerichtsvollzieher, die Privatwohnungen aufsuchen müssen, sollten umgehend geimpft werden, verlangte Richter-Präsidentin Matejka zuvor. Diese Gruppen hätten eigentlich Impftermin im März gehabt. Aber in der Justiz komme es - ähnlich wie bei der Polizei - ständig zu weiteren Verzögerungen. Bisher seien noch nicht einmal jene Richter geimpft, die Covid-Stationen in Spitälern aufsuchen müssen.

Generell seien "weitere Verzögerungen bei den Impfungen kaum noch zu verantworten. Wir tragen nicht nur selbst ein erhöhtes Risiko, sondern stellen aufgrund unserer zahlreichen Parteienkontakte vor allem für besonders vulnerable Gruppen im Gerichtsverfahren ein Risiko dar", unterstreicht die Richtervereinigung auch in einem Brief an Justizministerin Alma Zadic (Grüne). In der jetzigen Situation stelle "unverminderte Verhandlungstätigkeit ohne entsprechenden Impfschutz, sowohl der Justizangehörigen also auch der Verfahrensbeteiligten, ein hohes Risiko dar".

Die neuen Virusmutationen, eine größere Ansteckungsgefahr auch jüngerer Personen und schwere Verläufe, die zum Teil bereits zu überlasteten Intensivstationen führen, dürften auch von der Justiz nicht ignoriert werden. Auch an den Gerichten komme es derzeit immer öfter zu Covid-19-Erkrankungen. So sind zuletzt zwei Fälle am Wiener Straflandesgericht bekannt geworden.

Gerichtsbetrieb sichern

Justiz-Cluster an den Gerichten und Staatsanwaltschaften wären aber fatal. Denn der Gerichtsbetrieb müsse jedenfalls für alle dringenden Verfahren durchgehend gesichert werden, ersuchte die Richtervereinigung die Justizministerin "dringend, unseren Appell zu unterstützen, das aktuelle Risiko durch entsprechende Verfügungen zu minimieren und sich weiterhin für rasche Impfungen einzusetzen".

Eine Verordnung des Justizministeriums wie im Vorjahr, die generell Präsenz-Verhandlungen und Gerichtstermine auf die nötigsten Ausnahmefälle beschränkt, halten die Richter allerdings nicht für sinnvoll. Die Entscheidung sollte dem jeweiligen Richter überlassen bleiben. Denn gegen eine Verhandlung mit nur zwei Anwälten in einem großen Raum spreche auch jetzt nichts. Wichtig wäre es aber, erklärte Matejka, dass die Justizverwaltung - also die Dienstaufsicht - Corona-bedingte Verzögerungen von Verfahren mitträgt. Per Erlass einschränken könnte man etwa den Gerichtsvollzug.

(APA)

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