Gastkommentar

Eine einkommensabhängige Mediensteuer könnte die GIS ersetzen

Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Vorschlag des ORF, die Rundfunkgebühren teilweise nutzungsabhängig zu gestalten, wird scheitern.

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Wenn es um die Finanzierung des ORF geht, schlittert eine Diskussion in der Regel sehr schnell zu den Fragen, warum überhaupt für den ORF gezahlt werden soll, ob das Programm die Gebühren im Sinne seines Auftrags rechtfertigt und bei fortgeschrittener Kenntnis, ob die Struktur des ORF heute nicht überdimensioniert ist und radikal modernisiert werden müsste. Die Antworten darauf sollten naturgemäß gegeben werden, bevor diskutiert wird, auf welchem Wege das anzumessende Budget errichtet wird. Dass die Idee einer neuen Abgabe oder gar Mediensteuer ideologische Immunabwehr erzeugt, ist nachvollziehbar, trotzdem muss auch pragmatisch diskutiert werden können, wie bei gleichzeitiger Duldung der derzeitigen medienpolitischen Anlage des ORF die Mittelaufbringung fairer und moderner gestaltet werden kann.

Anachronistische Gerätegebühr

Das Wesen einer Rundfunkgebühr besteht darin, dass sie von allen, die  – unabhängig davon, ob sie das wollen – öffentlich-rechtliche Medienangebote prinzipiell nützen können, bezahlt werden muss. Früher war diese Möglichkeit an Empfangsgeräte (Fernseher, Radio) gekoppelt, deren Dasein, nur dem Zweck des Rundfunkempfangs geschuldet war. Mit der Digitalisierung wurde alles komplexer und auf PCs und Laptops konnten die Programme des ORF ebenso rezipiert werden. Das Einheben der verpflichtenden Gebühr fiel aber aus, weil dieser Geräte nicht exklusiv zum Empfang des öffentlich-rechtlichen Angebots genutzt wurden – nicht einmal in der verwässerten Form des Kabel- oder Satellitenfernsehens (oder -radio).

Viele Menschen haben heute weder Fernseher noch Radio und streamen damit neben in einem globalisierten Inhalteangebot auch kostenlos die Angebote des ORF. Aus der Sicht eines gebührenfinanzierten Medienhauses ist es würdig und recht, dass zumindest bei der tatsächlichen Nutzung seiner Inhalte gezahlt werden soll. Das erfordert, über das Vorhandensein der Empfangsgeräte hinaus, zu einer breiteren Form der Verpflichtung überzugehen. 

Die prinzipielle Unmöglichkeit einer optionalen Gebühr

„Jemand, der nur auf seinem Laptop ORF schaut, soll auch zahlen.“ Diese Herangehensweise leuchtet auch Gegnern der GIS ein, die oft argumentieren, nur zahlen zu wollen, wenn sie den ORF nützen. Ihre Toleranz erschöpft sich ja derzeit im Verhältnis verpflichtender Zahlung bei generellem Nichtkonsum. Mit der vom ORF strategisch beschlossenen Streaming-Vergebührung wird auch keine Akzeptanz zu erzielen sein, weil das erwünschte nutzungsabhängige Angebot mit optionalen Entgelten zwar geschaffen wird, aber für Gebührenzahler mit Empfangsgeräten verpflichtend und unerreichbar bleibt. Der ORF verabschiedet sich mit einer Verrechnung des digitalen Streamings generell vom Grundsatz der Pflichtgebühren. Die angestrebte Lösung ist bei einem Weiterbestehen endgerätebezogener Gebühren zum Scheitern verurteilt und prinzipiell nicht haltbar, wenn nur für manche diese Wahlfreiheit besteht. Warum dieser offensichtliche Fehler von niemandem bemerkt wurde, ist eigentlich unbegreiflich.

Wie eingangs erwähnt kann immer auch der Standpunkt eingenommen werden, dass sich der ORF auf dem Markt finanzieren oder privatisiert werden soll, weil die Bevölkerung ausreichend mit dem inhaltlichen Kernangebot des ORF versorgt wird. Auch über die verbreiteten Inhalte des ORF ließe sich streiten, insbesondere über jene, die nicht mehr als Public Value durchgehen und vom privaten Markt mindestens gleich gut erfüllt werden können. Sollte seine Auftragsgrundlage nicht gegeben sein, wäre der ORF obsolet. Stellen wir diese Diskussionen kurz außer Streit und gehen von folgender Annahme aus: Unterstellt man ein Nachfragedefizit nach den “guten” Inhalten des ORF und sieht es als staatliche Pflicht, vor allem die Informationsangebote einem breiten Publikum zugänglich zu machen, dann muss die Republik auch Mechanismen zur Finanzierung des Angebots einführen.

Wege aus der GIS

Die Rundfunkgebühr ist aus vielen Gründen im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert dafür nicht mehr geeignet – das hat nun auch der ORF erkannt. Mit der Einführung einer Nutzungskompenente führt sich die Verpflichtung aber ad absurdum. Nutzungsbasierte Konzepte führen zwangsläufig zu einer Senkung des Gebührenaufkommens und widersprechen dem politischen Ansatz einer möglichst breiten Bereitstellung des Angebots. 

Es braucht also Alternativen einer möglichst breiten, aber fairen und flächendeckenden Finanzierung. Immer wieder wird eine Haushaltsabgabe genannt, die aber dazu führt, dass Wohnungen besteuert werden ohne Rücksicht darauf, wie viele Einkommensteuerpflichtige in diesem Haushalt leben. Die Belastung wäre – wie auch schon bei bestehenden Gebühren – nicht sozial gestaffelt, sondern erzeugt eine Schieflage zu Ungunsten wenig verdienender allein Lebender. Mit einem neuen System sollte auch dieser Mangel ausgeglichen werden, wenn ein öffentlich-rechtliches Medienangebot als eine sozialstaatliche, demokratische Leistung angesehen wird. Damit bleibt im Groben und Ganzen ein Finanzierungmodell übrig: über das Budget mit einer oder ohne eine am Individuum festgemachte, einkommensabhängige Abgabe. 

Die Variante, die Finanzierung des ORF im Budget ohne spezielle Abgabe unterzubringen, stößt von Seiten des Unternehmens immer wieder auf das Argument der direkten staatlichen Abhängigkeit. Das klingt zunächst nachvollziehbar, lässt aber unberücksichtigt, dass ausnahmslos jede Finanzierung, die letztendlich mit dem staatlichen Gewaltmonopol durchgesetzt werden müsste, eine Abhängigkeit erzeugt (siehe dazu: Keine ORF-Finanzierung ohne politische Abhängigkeit) und dass diese direkte Abhängigkeit auch vermieden werden kann – etwa durch regierungsferne Auszahlungsstellen und langfristige Budgetierungen.

Es gibt aber eine noch bessere Lösung der Finanzierung über das Budget: nämlich durch das Einheben einer einkommensabhängigen Medienabgabe, die auch für sonstige Presseförderungen herangezogen werden könnte und für die Zahlenden nach oben hin gedeckelt werden müsste. Sie könnte ähnlich funktionieren, wie die Arbeiterkammerumlage (oder diese gleich ersetzen). Gelänge es außerdem, die Lohnnebenkosten im gleichen Ausmaß zu senken, dann wäre diese neue Mediensteuer für diejenigen, die Einkommensteuer zahlen, außerdem noch aufkommensneutral und sollte jene beschwichtigen, die prinzipielle Einwände gegen die Einführung neuer Abgaben haben. Schweden, dessen Medienlandschaft und Größe in ähnlicher Dimension wie Österreich liegen, hat so ein ähnliches Modell bereits eingeführt. Die Lösung der Finanzierungsfrage kann aber nur ein Teil einer Strategie sein, den ORF als öffentlich-rechtliches Medienhaus so zu modernisieren, dass er auch in zehn Jahren noch relevant ist und seinen Auftrag erfüllen kann.

Der Autor

Niko Alm (geb. 1975 in Wien) studierte Publizistik und Philosophie. 2001 gründete er die Kreativagentur Super-Fi und war von 2007 bis 2013 Herausgeber von „Vice“. Von 2013 bis 2017 war er Mediensprecher der Neos im Nationalrat, danach Geschäftsführer von Quo Vadis Veritas. Bei der Wien-Wahl 2020 kandidierte Alm für die Bierpartei und errang einen Sitz in der Bezirksvertretung des Bezirks Landstraße. Er ist Autor des Buches „Ohne Bekenntnis. Wie mit Religion Politik gemacht wird” (Residenz Verlag, Wien 2019).

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