"Osterruhe"

Anschober verteidigt Verschärfungen für den Osten, für Experten kommen sie zu spät

Wien, Niederösterreich und Burgenland gehen von 1. April bis 6. April wieder in einen harten Lockdown.
Wien, Niederösterreich und Burgenland gehen von 1. April bis 6. April wieder in einen harten Lockdown.APA/HELMUT FOHRINGER
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Ohne Trendwende drohe den Intensivstationen eine „dramatische Überlastung“, warnt Gesundheitsminister Anschober. Die verhängte „Osterruhe“ komme zu spät, warnen Epidemiologen - besagte „Trendwende“ werde damit wohl nicht erreicht.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Donnerstag die am Vortag für die Ostregion verhängte "Osterruhe" verteidigt und an die Bevölkerung appelliert, sich an die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zu halten. "Diese Maßnahmen werden uns helfen, die schwierige Herausforderung zu schaffen. Entscheiden werden wir aber selbst. Tagtäglich mit unserem Beitrag, mit Verantwortung und Zusammenhalt - wir können und werden ein Teil der Lösung sein", sagte Anschober.

Der Minister verwies in einer Aussendung darauf, dass alleine in Wien schon 167 Covid-Patienten in den Intensivstationen betreut werden, so viele wie nie zuvor. Und die Prognose sei alarmierend. Wenn keine Trendwende gelinge, dann würden es am 7. April schon 260 Intensivpatienten sein. "Das wäre eine dramatische Überlastung und diese müssen wir mit aller Kraft verhindern", sagte Anschober.

Schaffen könne man das nur, "wenn wir alle einen Betrag dazu leisten. Die Osterruhe ist ein Teil davon - die Lösung ist aber jeder Einzelne von uns. FFP2-Maske, Mindestabstand und Testen - das muss unser Verhalten in den nächsten Wochen sein, dann können wir es gemeinsam schaffen - uns selbst zu schützen, die Anderen schützen und damit unsere Intensivstationen schützen", appellierte Anschober an die Bevölkerung in ganz Österreich, ganz besonders eindringlich aber an die Bewohner und Bewohnerinnen Ost-Österreichs.

„Osterruhe“ für den Osten

Am Vortag hatten - nach langem Ringen - die drei Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Michael Ludwig und Hans Peter Doskozil (beide SPÖ) sowie Anschober in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekanntgegeben, dass Ost-Österreich über Ostern wieder in einen Lockdown geht. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wird es von Gründonnerstag (1. April) bis zum Dienstag nach Ostern (6. April) wieder Ausgangsbeschränkungen nicht nur in der Nacht, sondern auch tagsüber geben. Der Handel wird mit Ausnahme von Gütern des täglichen Bedarfs geschlossen, danach gibt es dort Zugangstests (Grundversorger ausgenommen), wobei diese Test-Maßnahme vorerst auf den Zeitraum 7. bis 10. April begrenzt ist. Die Schulen gehen in der Woche nach Ostern ins Distance Learning, danach soll es dort mit ausgeweiteten Testangeboten - wohl stufenweise - wieder in den Präsenzunterricht zurückgehen.

Bleibt es beim „Oster-Lockdown“ im Osten?

Nach der Meinung der Virologin Dorothee von Laer und des Epidemiologen Gerald Gartlehner werde diese „Osterruhe“ allerdings nicht reichen, um eine echte Trendwende auf den überlasteten Intensivstation zu bringen. Gartlehner kritisierte am Donnerstag, dass die Maßnahmen zu spät kommen und zu kurz dauern. Eine Spur zuversichtlicher indes Von Laer: "Ob das ausreicht, bezweifle ich. Wahrscheinlich reicht es nicht aus. Aber vielleicht haben wir ja Glück".

Gartlehner geht davon aus, dass wir nach dem Oster-Lockdown vom 1. bis 6. April nahtlos in einen längeren übergehen und den April im Lockdown verbringen. "Diese fünf, sechs Tage sind eine homöopathische Dosis, das wird die Infektionszahlen nicht nachhaltig ändern." Gartlehner kann dem Ganzen aber auch etwas Positives abgewinnen: "Zumindest ist die Realität anerkannt worden. Am Montag hat man noch geglaubt, dass nichts passiert." Die Politik könnte aber "gleich mit offenen Karten spielen" und die unangenehme Wahrheit sagen, "dass es sich mit fünf bis sechs Tagen nicht ausgehen wird", so der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems.

Auch Rest des Landes bald betroffen

Gartlehner warnt auch davor, dass die kritische Situation nicht auf die Ostregion beschränkt belieben werde. Im Tirol sei man jetzt dort, wo Wien vor zwei bis drei Wochen war. "Früher oder später wird überall die gleich Situation eintreten." Erleichterungen erwarte er erst in drei Monaten, Ende Juni, wenn ausreichend Menschen immunisiert seien und wenn nichts dazwischen komme. "Wir gehen mit enorm hohen Zahlen in den Frühling." Die Lage sei daher ganz anders als letztes Jahr.

"Eher spät und eher kurz" - so beurteilte Virologin Von Laer die Maßnahmen inklusive Kurzzeit-Lockdown für die Ostregion zu Ostern. Es sei zu hoffen, dass die Menschen bereits in der Woche bis Ostern die Warnungen ernst nehmen und sich entsprechend verhalten. Nach der geplanten Aufhebung des Lockdowns sei aber davon auszugehen bzw. sei zu befürchten, dass die Zahlen wieder ansteigen und man auch in den Intensivstationen der Krankenhäuser wieder an die Kapazitätsgrenzen gelange.

Bei Impffortschritt eventuell bis Ende Mai geschafft

Einen Lichtblick bzw. möglichen Auswege aus der verfahrenen Situation ohne Verlängerung des Lockdowns nach Ostern sah Von Laer jedoch: Sollten Maßnahmen wie die auf alle Innenräume ausgeweitete FFP2-Maskenpflicht sowie die Betriebstestungen eingehalten werden, könne man vielleicht mit Glück auch so - "ohne das wirtschaftliche Leben groß einzuschränken" - bis Ende Mai "durchkommen". Denn bis dahin würden wohl die Impfungen signifikant fortgeschritten sein und wirklich die Normalität sich wieder Bahn brechen.

Nicht aus dem Schneider sah Von Laer auch die übrigen Bundesländer. Denn auch dort würden die Infektionszahlen wegen der Briten-Mutante derzeit steigen. Schließlich wisse man auch, dass sich die Infektionen auf den Intensivstationen gewöhnlich mit einer Verzögerung von drei bis vier Wochen bemerkbar machen. Dass ähnliche Maßnahmen wie im Osten notwendig werden, hielt Von Laer für "nicht unwahrscheinlich", aber prognostizieren könne man dies nicht. Den übrigen Bundesländern könne der Faktor Zeit bzw. das hoffentlich bald Fahrt aufnehmende Impftempo helfen. "Aber auch sie müssen weiter sehr achtsam sein", meinte die Virologin und mahnte Maßnahmen wie intensives Contact-Tracing ein. Bei Letzterem seien vor allem Tirol und Vorarlberg sehr gut unterwegs.

„Wenig Spielraum“ bei überlasteten Intensivstationen

Wie Von Laer hofft auch die Epidemiologin Eva Schernhammer, die dem Experten-Gremium der Regierung angehört, auf ein Funktionieren. Begrüßenswert wären die Maßnahmen, die jetzt für die Ostregion geplant sind, wenn sie gravierendere verhindern können, sagte sie. Würden die Intensivzahlen aber weiter steigen, bliebe nur noch wenig Spielraum. "Ich habe bewusst in der ZiB formuliert, dass man auch differenziertere Maßnahmen setzen kann, wie diese jetzt von den Landeshauptleuten vorgeschlagen wurde", sagte die Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der Medizinischen Universität Wien - aber mit dies der Einschränkung, dass man die Menschen entsprechend motivieren und die Maßnahmen schnell organisieren können müsse.

Als die "bessere Methode" bezeichnete Schernhammer die geplanten breitflächigen PCR-Tests für Schüler und Lehrer nach Ostern, wenn auch die Resultate dann entsprechend schnell vorliegen. Denn Antigenschnell-Tests fischen nur die momentan Infektiösen heraus, während ein PCR-Test ein längeres Geschehen aufdecke, indem er aufzeigt, ob jemand die Sars-CoV-2-Infektion hat, erläuterte sie. Bereits in der ZiB2 am vergangenen Dienstag plädierte Schernhammer dafür, die Gültigkeit von Antigen-Tests von 48 Stunden zu halbieren.

(APA)

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