Brüssel

Die vorgezogenen Biontech-Impfdosen sollen den EU-Streit beenden

EU-Ratspräsident Charles Michel im Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs.
EU-Ratspräsident Charles Michel im Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs.APA/AFP/POOL/YVES HERMAN
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Bundeskanzler Kurz fordert erneut eine Korrektur bei der Verteilung der Vakzine. Die EU-Botschafter sollen klären, ob ein Kompromiss mit den zusätzlichen Dosen von Biontech/Pfizer gefunden werden kann.

Die Staats- und Regierungschefs sind bei ihrem virtuellen Gipfel offenbar einer Lösung bei der Verteilung von Impfdosen näher gekommen. Die Details sollen von den EU-Botschaftern geklärt werden. Eine Lösung soll auf Basis des Bevölkerungsanteils der EU-Staaten und durch die Auslieferungsgeschwindigkeit bei der Verteilung von zehn Millionen zusätzlichen Dosen von Biontech/Pfizer gefunden werden, hieß es am Donnerstag in Ratskreisen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte zu Beginn am Donnerstag erneut eine Korrektur bei der Verteilung der Vakzine. Unterstützt wurde er dabei von mehreren osteuropäischen Kollegen. Dem Vernehmen nach wollte auch die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft einen Teil von zusätzlichen zehn Millionen Biontech/Pfizer-Dosen für einen Ausgleich nutzen.

Mehrere Regierungschefs auf der Seite von Kurz

Neben Kurz beschwerten sich auch Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic und die Regierungschefs von Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Lettland darüber, dass die tatsächliche Verteilung vom ursprünglich beschlossenen Bevölkerungsschlüssel abweicht. Deutschland hat dagegen argumentiert, dass die Ungleichgewichte dadurch zustande kamen, weil einzelne Länder nicht alle angebotenen Dosen mitbestellten und sie von anderen aufgekauft wurden. Auch Dänemark, Schweden und die Niederlande seien gegen einen Korrekturmechanismus aufgetreten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug daraufhin vor, zehn Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer, die nun vorgezogen im zweiten Quartal geliefert werden, für einen Ausgleich zu nutzen.

Somit sollen die EU-Botschafter den Konflikt lösen und nicht der Lenkungsausschuss, dessen Ko-Vorsitzender Clemens Martin Auer sich wegen der Causa zurückziehen musste. Die EU-Botschafter sind gegenüber ihren Hauptstädten weisungsgebunden und müssten einstimmig entscheiden.

"Wenn die Impfstoffverteilung kein Thema für einen Gipfel sein soll, was dann?", erklärte der Bundeskanzler. Angesichts anhaltender Lieferprobleme bei Corona-Impfstoffen will sich der EU-Gipfel für die Kontrolle von Ausfuhren in Drittstaaten aussprechen, hieß es in einem Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen.

Es sei es völlig unverständlich, dass die EU 70 Millionen Dosen von Corona-Impfstoffen in alle Teile der Welt exportiere, selber aber keine Impfstoffe von außerhalb der EU erhalte, sagte Kurz. "Das ist ein massives Missverhältnis", sagte Kurz. "Wenn Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Meinung sei, dass Exportbeschränkungen einen Sinn machen, dann sollte man sie dabei auch voll und ganz unterstützen", betonte der Bundeskanzler.

Kurz: „Koste es, was es wolle"

Bei der Bekämpfung der Pandemie müsse das Motto gelten, "koste es, was es wolle", sagte Kurz. Die Diskussion, dass es in Österreich eine finanzielle Beschränkung von 200 Millionen Euro für die Beschaffung von Impfstoffen gebe, sei daher "absurd". Bisher habe man 80 Millionen Euro ausgegeben und 30 Millionen Dosen bestellt, das Problem liege in der Verzögerung der Auslieferungen, so der Bundeskanzler.

Österreich habe in der Frage der Impfstoffverteilung jedenfalls einiges ins Rollen gebracht, sagte Kurz weiter. Die Staats- und Regierungschefs hätten vereinbart, dass die Auslieferung der Impfstoffe anteilsmäßig anhand der Bevölkerungsverteilung erfolge, durch einen Beschluss der Gesundheitsbeamten sei dies aber geändert worden, sodass nun Malta im ersten Halbjahr dreimal soviel Impfstoffe wie Bulgarien bekomme. Er glaube aber daran, dass es mittlerweile mehr Verständnis für einen Ausgleich innerhalb der EU gebe. "Ich gehe sogar soweit, wenn es hier keine Lösung gibt, dass es einen Schaden für die EU auslösen könnte, wie wir es schon lange nicht erlebt haben", erklärte Kurz.

62 Millionen Erst-Impfungen

Von den knapp 450 Millionen EU-Bürgern sind unterdessen inzwischen 62 Millionen mindestens einmal gegen Corona geimpft. 18,2 Mio. Menschen haben auch ihre zweite Dosis bekommen. Die Zahlen legte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Donnerstag zum EU-Gipfel vor. Die EU-Staaten erhielten von den Pharmakonzernen bisher rund 88 Mio. Impfdosen. Zugleich gingen seit 1. Dezember 77 Mio. Dosen aus der EU in den Export.

Der Präsident des Europäischen Parlaments David Sassoli betonte nach seinem Austausch mit den Staats- und Regierungschefs, dass eine ausreichende Auslieferung der Impfstoffe sichergestellt werden müsse, gerade in jene Länder, wo diese am meisten gebraucht würden. Die EU habe eine enorme Verantwortung und müsse auf eine Einhaltung der Verträge bestehen, so Sassoli. Allerdings dürfe man nicht die EU-Institutionen für Unzulänglichkeiten in den nationalen Systemen verantwortlich machen.

(APA)

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