TV-Serie

"Pure": Filzen gegen die Sexorgien im Kopf

Pure
PureZDF und Sophia Spring
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Die britische Serie „Pure“ erzählt humorvoll und empathisch von einer jungen Frau mit einer Zwangsstörung - und von der befreienden Wirkung einer Diagnose. Nur heute zum Bingen im ZDF.

Sie ist ein schottisches Landei und kann es kaum fassen, dass man in ihrer Wahlheimat London nicht einmal dann Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn man blauen Glibber auf die Straße kotzt. Sie sagt immer viel zu direkt, was sie denkt - und verletzt dabei Menschen, die sie mag. Immer wieder jagen Gedanken durch ihren Kopf, die sie nicht steuern kann, aber abstoßend findet - denn Marnie denkt immer nur an Sex. Man könnte also sagen, Marnie (dargestellt von Charly Clive) ist ziemlich schräg. Bei genauerer Betrachtung hat sie aber vor allem eines: eine psychische Störung.

Sie weiß zwar, dass mit ihr etwas nicht stimmt - immerhin sieht die junge Frau die Manager ihrer neuen Firma plötzlich nackt vor sich oder wähnt sich in der U-Bahn mitten in einer Sexorgie. Oder, wie Marnie es selber einmal kommentiert: „Das ist wie bei ,The 6th Sense' – nur dass ich keine Toten sehe, sondern Nackte.“ Doch erst mit Hilfe ihres neuen Freundes Charlie kommt sie drauf, dass es sich um eine Zwangsstörung (auf Englisch auch „Pure O“ genannt) handeln könnte. Marnie verzweifelt daran nicht. Ganz im Gegenteil. Sie fängt an, das Leben wieder zu genießen: „Es gibt Tausende andere, die genauso krank sind wie ich – endlich gehöre ich zu einer Gemeinschaft“, freut sie sich. Und immer, wenn ihr das Gehirn wieder einen Streich spielt, sagt sie sich ihr Mantra vor: „Das bin nicht ich, das ist meine Zwangsstörung. Das bin nicht ich, das ist..."

Perverses Kopf-Kino

Der britische Fernsehsender Channel 4 hat 2019 rund um Marnies perverses Kopfkino die Comedy-Dramaserie „Pure“ gebaut (alle sechs Folgen heute ab 23.40 Uhr auf ZDFneo als deutschsprachige Free-TV-Premiere zum Bingen), die sich humorvoll und empathisch dem Leben einer psychisch Kranken annähert. Die Serie stellt die Betroffene nicht zur Schau oder als hilflose Kranke dar, sondern macht die Zuschauer zu empathischen Verbündeten dieser vielschichtigen Person, die durchaus in der Lage ist, ihr Leben und ihre Schwierigkeiten selbst zu meistern.

Auch die Nebenfiguren sind starke Charaktere: Den pornosüchtigen Charly (Joe Cole) lernt Marnie in der Selbsthilfegruppe kennen. Er ist seit einem Jahr abstinent und nimmt jede Gelegenheit wahr, sich abzulenken - sogar „Filzen für Anfänger“. Marnie probiert es auch - muss aber ständig an die Schamhaare von Kursleiterin Lynn denken. Marnies ehemalige Schulkollegin Shereen (Kiran Sonia Sawar), an der Sorgen und Probleme abperlen wie an einem Lotusblatt, nimmt sie auf - und lässt sie aus Platzmangel in der Besenkammer schlafen (die sie mit Lichterketten kuschelig gestaltet). Die lesbische Amber (Niamh Algar, „Raised by Wolves") wird von Marnie, die noch ihre sexuelle Orientierung sucht, zwar enttäuscht, verschafft ihr aber trotzdem einen Job. Und auch Ambers Mitbewohner Joe (Anthony Welsh) erliegt Marnies speziellem Charme. Dem Publikum geht's ähnlich. Marnie mag ein krasses (und im TV-Unterhaltungsgenre seltenes) Beispiel sein, aber sie hilft, Vorurteile gegen psychisch Kranke zu neutralisieren. Zeit wird's.

"Pure": 26. März, ab 23.40 Uhr, alle sechs Folgen am Stück auf ZDFneo und kostenpflichtig im Stream von Amazon Prime.

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