Der Bundeskanzler verteidigt seine Forderung nach Umverteilung von Impfstoffdosen - beantwortet aber auf mehrfache Frage nicht, ob Österreich die von ihm angekündigten 400.000 statt 200.000 Dosen BioNTech-Pfizer erhält.
In einer kurzen Pressekonferenz verteidigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sein hartes Auftreten beim Europäischen Rat am Donnerstag, der stundenlang über die Frage der Umverteilung von Impfstoffdosen an jene Mitgliedstaaten brütete, die besonders hart vom Lieferversagen von AstraZeneca betroffen sind. Kurz hatte auch für Österreich zusätzlichen Impfstoff gefordert, obwohl das Land im Vergleich zum Rest der EU nicht unterversorgt ist, und mit einem Veto gegen jegliche Umverteilung an Bulgarien, Lettland, Kroatien und eventuell auch Estland gedroht, falls nicht auch er etwas erhält.
„Dass am Anfang alle mit Maximalpositionen starten, ist nichts Verwerfliches“, sagte Kurz. „Dass es unterschiedliche Meinungen gibt, ist ganz klar. Die, die viel haben, wollen nichts hergeben, und die, die nichts haben, wollen etwas haben.“ Die Stimmung sei „generell eine sehr gute, der Austausch miteinander ist im Regelfall stets ein freundlicher.“ Es habe ihn „nicht überrascht, dass gestern ein Drittel der Mitgliedstaaten sich für Solidarität ausgesprochen hat.“ Welche konkret das waren, und was sie genau unter Solidarität verstanden, führte er nicht aus, lobte aber beispielhaft Zypern (das kein Versorgungsproblem hat).
Kurz ließ aber selber erkennen, dass er mit seinem bisherigen Verbündeten in Sachen Sparkurs beim EU-Budget, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, nicht auf einer Linie sei. Rutte hatte in der Nacht auf Freitag bei seiner Pressekonferenz nach Ende des via Videokonferenz abgehaltenen Gipfeltreffens in Abrede gestellt, dass Österreich ebenfalls zusätzliche, über seinen Bevölkerungsanteil hinausgehende Impfdosen erhalten solle, wie Kurz das vor einer Woche bereits als so gut wie fix verkündet hatte: „Derzeit ist es schwer, den Schluss zu ziehen, dass Österreich ein Problem hat“, sagte Rutte. „Vielleicht ist das später anders.“ Er nannte ausdrücklich Bulgarien, Kroatien und Lettland als jene Staaten, die Hilfe benötigten, weil sie zu sehr auf AstraZeneca gesetzt und auf Moderna- sowie BioNTech-Pfizer-Impfdosen verzichtet hatten. „Aber das muss im Geiste der pro-Kopf-Verteilung geschehen“, hielt Rutte fest. Geschenke werden die Niederländer also keine machen.
Wie berichtet, hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen, dass zehn Millionen Dosen von BioNTech-Pfizer, die schon in den Monaten April bis Juni und nicht wie bisher geplant ab Herbst erst bereit sein werden, bei der Ausgleichung der Schieflage in den Impfkampagnen dienen solle. Zuletzt stritten die EU-Botschafter sowie die Steuerungsgruppe von Experten aus den 27 nationalen Gesundheitsministerien darüber, ob 30 Prozent von diesen zehn Millionen an die genannten Nachzügler umverteilt werden. Österreich wollte aber auch zu ihnen gezählt werden, und blockierte die Einigung.
Zuteilung „anhand der Bevölkerungszahl"
Auf dem Gipfel drohte Kurz erneut mit Blockade, als Kompromiss einigten sich die 27 Chefs, dass die EU-Botschafter nun weiter über diese Frage befinden müssen. Sie sollten, so die gemeinsame Schlusserklärung, „die Frage, wie schnell die Impfstoffe geliefert werden, ... im Geiste der Solidarität“ behandeln. Sprich: wenn es die Möglichkeit gibt, einen Teil davon schneller zu liefern, sollten die Nachzügler bevorzugt beliefert werden. Aber das solle weiterhin anteilig geschehen: „Wir bestätigen, dass die Zuteilung der Impfstoffe anteilig anhand der Bevölkerungszahl erfolgt“, so der Text der Erklärung der Chefs.
Kurz beklagte, dass im Vorfeld des Gipfels „anonyme Falschmeldungen“ über Österreichs Auftreten im EU-Kreis in den Medien gestreut worden seien. Doch auch im Kreis der 27 Chefs war man über seine Forderung nach zusätzlichen Dosen für Österreich nur mäßig begeistert: „Auch wir haben Impfstoff-Mängel, Kurz wird keine einzige zusätzliche Dosis erhalten", wurde Italiens Ministerpräsident, Mario Draghi, von der Tageszeitung "La Repubblica" zitiert.
Die Frage danach, was aus seiner Ankündigung vom 17. März geworden ist, wonach er die Zusage erhalten habe, dass Österreich 400.000 statt der ihm anteilsmäßig zustehenden 200.000 Dosen aus der genannten beschleunigten Lieferung von BioNTech-Pfizer bekommen werde, beantwortete der Kanzler am Freitag nicht.