Coronaregeln

Wie die Rhetorik der Regierung die Maßnahmen behindert

CORONA: PK NACH TREFFEN DER BUNDESREGIERUNG MIT EXPERTEN UND LANDESHAUPTLEUTEN - WAGNER/LUDWIG/KURZ/SCHUeTZENHOeFER/ANSCHOBER
CORONA: PK NACH TREFFEN DER BUNDESREGIERUNG MIT EXPERTEN UND LANDESHAUPTLEUTEN - WAGNER/LUDWIG/KURZ/SCHUeTZENHOeFER/ANSCHOBERAPA/HELMUT FOHRINGER
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Abwechselnd Hoffnung und Angst zu machen und Spielregeln ständig zu ändern, beschädige die Glaubwürdigkeit der Regierung und sorge für Verunsicherung. Das wiederum behindere die Regeltreue der Bevölkerung, sagen Kommunikationswissenschafter der Uni Wien.

Von „Licht am Ende des Tunnels“ über „Jeder wird jemanden kennen, der an Corona gestorben ist“ bis hin zu „die entscheidenden Wochen liegen vor uns“: Die Regierungsmitglieder haben schon viel über die Pandemie gesprochen. Eine einheitliche Linie erkennt man dabei nicht wirklich, ebenso wenig bei den Maßnahmen. Einerseits will man strenge Regeln, andererseits wird vermieden, damit zu viele Menschen zu verärgern. Die „Osterruhe“ für den Osten Österreichs ist da nur das jüngste Beispiel.

Dieser „Schlingerkurs“ führt dazu, dass zunehmend Menschen verprellt werden und in einer Konsequenz die Coronaregeln nicht einhalten, hat eine Untersuchung des "Austrian Corona Panel Project" der Uni Wien herausgefunden. Die Daten würden zeigen, dass die Bevölkerung im Bezug auf die Maßnahmen stark gespalten ist. Für immer mehr Menschen sind sie zu streng oder aber zu lasch.

"Das Hauptproblem ist, dass die Regierung trotzdem weiter versucht, es allen recht zu machen", sagt Studienmitarbeiter Jakob-Moritz Eberl. Statt im Sinne einer konsequenten Politik über manche Meinungen hinwegzugehen - immerhin jeder sechste Österreicher hält laut der regelmäßig durchgeführten Panelstudie das Coronavirus immer noch etwa so gefährlich wie die Grippe -, ändere die Regierung ständig ihre Erzählung und auch die Spielregeln, erklärte der  Kommunikationswissenschafter.

Regierung hält nicht, was sie verspricht

Über Wochen hinweg habe die Regierung über Öffnungsschritte gesprochen und ein Hoffnungsszenario rund um Ostern aufgebaut. Und das, obwohl Experten schon die längste Zeit aufgeschrien hätten, dass Einschränkungen unausweichlich sein werden. "Was wir erleben ist ein Prozess des 'Over-Promise and Under-Deliver', und das schon seit Beginn der Pandemie", sagt Eberl. Nun werde dieser Sommer als neues Hoffnungsszenario aufgebaut - erneut mit der Gefahr, dass auch dieses nicht halten wird.

Auch bei der Frage, ab welcher Inzidenz härtere Maßnahmen ergriffen werden müssen, gebe es in Österreich keine konsequente Linie: Einmal habe hier die Zahl 50 gegolten, einmal 100, nun seien es 400, wobei zuletzt erklärt wurde, dass künftig außerdem die Zahl der belegten Intensivbetten stärker gewichtet werden soll. "Es ist nicht nachvollziehbar, wann und wie diese Sprünge erfolgen", kritisiert Eberl. Die Bevölkerung bekomme dadurch den Eindruck, dass es bei der Krisenbekämpfung ohnehin kein objektives Maß mehr gebe.

Schlechte Kommunikation beeinflusst Bereitschaft, Regeln einzuhalten

Der Inhalt der Politik sei zwar bedeutend wichtiger als die Art, wie diese kommuniziert wird, betont der Kommunikationswissenschafter. Doch auch werde gepatzt: Wenn bei Pressekonferenzen lediglich angekündigt werde, dass neue Maßnahmen kommen, aber nicht welche, sorge das für massive Verunsicherung. Das erschwere, an die Verlässlichkeit der Informationen und Entscheidungen der Regierung zu glauben, so Eberl.

Schon im Dezember hat nur gut die Hälfte der Befragten die Entscheidungen der Regierung für nachvollziehbar gehalten. Das Problem dabei: Jene, die die Regierungskommunikation als zu kompliziert, schlecht verständlich oder nicht nachvollziehbar empfinden, sind auch weniger gewillt, ihre Lebensweise zu ändern, um die Coronapandemie einzudämmen.

Pandemiemüdigkeit und vergessener Schock

Die erratische Kommunikation der Regierung ist aber nur einer der Gründe, warum die Bereitschaft in der Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen und einzuhalten, abnimmt. Hier müsse man u.a. auch die zunehmende Pandemiemüdigkeit bedenken und dass der Schockmoment der ersten Welle vergangen sei. Obwohl bei der zweiten Welle Infektions- und Sterbezahlen viel höher waren, habe die Bevölkerung die Gefahr nicht als größer wahrgenommen. Ob die Zahlen derzeit steigen, weil die Bevölkerung sich nicht an die Maßnahmen hält oder weil die falschen Maßnahmen (zu frühe und viele Lockerungen) gesetzt wurden, ist allerdings aus Eberls Sicht nicht so klar.

Auch Impfung braucht Vertrauen

Die nächste große Herausforderung wird jedenfalls das Impfen: Eine Bereitschaft von 47 Prozent sei bei weitem nicht genug und gerade der für die österreichische Impfkampagne besonders wichtige Impfstoff von AstraZeneca habe zuletzt Vertrauen in der Bevölkerung verloren. AstraZeneca wird aktuell von 57 Prozent abgelehnt, damit impfen lassen würden sich sogar nur 23 Prozent - das sind weniger als mit Sputnik V, der noch nicht einmal zugelassen ist. Eberl plädiert für eine Informationskampagne zum Thema Impfen und Sicherheit von Impfstoffen, denn: "Ohne hohe Impfbereitschaft bringen uns auch die Maßnahmen auf lange Sicht wenig."

>> Zum Corona-Panel der Uni Wien

(APA/red.)

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