Interview

Alex de Waal: "In Tigray wird Hunger als Waffe missbraucht"

Spuren des Krieges. Die Stadt Wukro, nördlich von Tigrays Hauptstadt Mekelle, wurde immer wieder mit Artillerie beschossen. Die Bevölkerung Tigrays leidet massiv unter dem grausamen Konflikt.
Spuren des Krieges. Die Stadt Wukro, nördlich von Tigrays Hauptstadt Mekelle, wurde immer wieder mit Artillerie beschossen. Die Bevölkerung Tigrays leidet massiv unter dem grausamen Konflikt.AFP/EDUARDO SOTERAS
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Alex de Waal, Experte für das Horn von Afrika, berichtet von Massakern und Plünderungen in Nordäthiopien. EU und USA müssten mehr Druck auf Eritrea und Äthiopiens Premier ausüben.

Im Norden Äthiopiens spielt sich eine  kaum beachtete Tragödie ab. Mithilfe des Nachbarn Eritrea führt Äthiopiens Regierung Krieg gegen die abtrünnige Führung der Region Tigray. Menschenrechtsorganisationen werfen Äthiopiens und vor allem Eritreas Armee Verbrechen vor. Äthiopiens Premier, Abiy Ahmed, versprach, dass die eritreischen Truppen aus Tigray abziehen werden. Doch das Drama ist noch lang nicht zu Ende. Ein Gespräch mit dem Experten Alex de Waal.

Die Presse: Äthiopiens Premier, Abiy Ahmed, hat den Nobelpreis für seinen Friedensschluss mit Eritrea erhalten. Zugleich führt er aber eine massive Militäroperation in der Region Tigray durch. Wie passt das zusammen?

Alex de Waal: Warum waren die USA und die Europäer so froh, dass Abiy Ahmed Äthiopiens Regierungschef wurde? Er hatte begonnen, den politischen Bereich, der sehr autoritär war, zu liberalisieren. In diesem Enthusiasmus wurde eine Gefahr übersehen: Wenn man eine autoritäre Gesellschaft liberalisiert, öffnet sich die Tür für Korruption und Gewalt. Abiy Ahmed schloss Frieden mit Eritrea und erhielt den Nobelpreis. Eritrea hat eines der geschlossensten Systeme der Welt. Es gibt keine Opposition, keine Rechtsstaatlichkeit, dafür zeitlich unbegrenzten Wehrdienst. Eritrea ist ein Militärstaat und produziert extrem hohe Flüchtlingszahlen. Die Hoffnung war, dass Eritrea sein System öffnet, wenn es Frieden mit Äthiopien schließt. Denn dann fällt die Begründung weg: Wir müssen wegen des Konflikts mit unserem großen Nachbarn so rigide sein.

Und nun herrscht in Tigray Krieg.

Ja, denn Eritreas Präsident, Isayas Afewerki, hat den Deal als Gelegenheit für einen militärischen Pakt mit dem äthiopischen Premier gegen Tigray gesehen. Abiy Ahmed hatte einen Grund, die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die lang ganz Äthiopien dominiert hatte, politisch zu besiegen. Aber Isayas Afewerki will sie nicht nur politisch besiegen. Er will sie vernichten und Tigrays Bevölkerung dezimieren.

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