Peter Handke hat „eine Geschichte, die ich noch keinem Menschen erzählt habe“.
Literatur

Handkes neues Buch: Der Idiot und sein Dämon

Der Erzähler in Peter Handkes eben veröffentlichtem Werk, „Mein Tag im anderen Land“, gilt in seiner Gegend als besessen. Dann macht er sich auf den Weg zum See. Dieser Gang wird – zumindest poetisch – zu einer Befreiung.

Menschen, die mit dem Nobelpreis für Literatur bedacht werden, sollen danach angeblich häufig verstummen. Für Peter Handke (*1942), der seit gut sechs Jahrzehnten beständig dichtet, gilt das wahrlich nicht. Der aus Kärnten stammende, nun im Südwesten von Paris lebende Schriftsteller wurde in Stockholm im Herbst 2019 für sein umfangreiches Schaffen ausgezeichnet – Prosa, Dramen, Essays, Hörspiele, Filme, Tagebücher und stets auch eine Menge philosophischer Brosamen . . . Einflussreich und sprachlich genial sei dieser Autor, lautete die Begründung der Nobelpreis-Jury. Sein Werk wächst weiter.

Allein 2020 hat der Suhrkamp Verlag zwei neue Bücher Peter Handkes veröffentlicht; die bei den Salzburger Festspielen uraufgeführte tragische Szene „Zdeněk Adamec“ sowie „Das zweite Schwert – Eine Maigeschichte“. Diese Erzählung, in der die Welt und das Selbst erkundet werden, mutet neutestamentlich an. Und am kommenden Montag wird erneut ein Prosaband erscheinen: „Mein Tag im anderen Land. Eine Dämonengeschichte“, in der renommierten Reihe „Bibliothek Suhrkamp“, die den Klassikern der Moderne gewidmet ist. Zu ihr passt dieses Buch – ein kleines Meisterwerk.

Einfach. Kompliziert

Man kann diesen Text schnell lesen. Es sind nur zwei längere und ein kurzes Kapitel auf knapp 90 großzügig bedruckten Seiten. Ihre Sprache ist raffiniert einfach, „oder so“, wie Handke neuerdings bei Gegensätzen gerne sagt. Man kann sie aber auch behutsam lesen. Dann wird sie kompliziert. Das beginnt bereits beim vorangestellten Motto: „Ich, Idiot, ins Gemeinwesen gestellt“. Dieses Zitat wird Pindar zugeschrieben, der seit 2500 Jahren zum Kanon der griechischen Literatur gehört. Seine Preisgedichte sind Kult, Gesamtkunstwerke, dunkel, voller Reflexion über das Dichten, auch dämonisch. Der Satz, den Handke zitiert (oder ins Eigene gebracht hat), birgt ein Paradox: Ursprünglich bedeutete idiotes im Altgriechischen einen, der sich aus den öffentlichen Dingen zurückgezogen hat, keine Ämter ausübt. Solche Menschen wurden in der Attischen Demokratie nicht geschätzt, weil ihnen das politische Bewusstsein fehlte. Fremd mutete solch ein Idiot im Gemeinwesen an.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.