12 Jahre „Die Presse am Sonntag“

Als die Daten ihre Unschuld verloren

Er glaubt nicht an den Weg zurück: „Die Privatsphäre ist tot“, sagt Michal Kosinski. Er lehrt und forscht an der Universität Stanford, Kalifornien.
Er glaubt nicht an den Weg zurück: „Die Privatsphäre ist tot“, sagt Michal Kosinski. Er lehrt und forscht an der Universität Stanford, Kalifornien.Dagens Næringsliv
  • Drucken

Werkzeug oder Waffe? Der Psychologe Michal Kosinski zeigt auf, wie Konzerne und Regierungen digitale Fußabdrücke erstellen. Und prüft, ob sie dem Menschen nutzen oder schaden.

Sie haben in Ihrer Forschung gezeigt, dass zehn Likes auf Facebook mehr über jemanden verraten, als ein Arbeitskollege es könnte. Wie funktioniert das?

Michal Kosinski: Der Ansatz dahinter ist nicht innovativ, solche Modelle werden seit den Sechzigerjahren verwendet. Nur die Anwendung ist neu: Nämlich digitale Fußabdrücke von Verhalten zu nehmen, in diesem Fall von Facebook-Likes, und daraus psychologische Merkmale wie Persönlichkeit, politische Ansichten, Intelligenz, sexuelle Orientierung, Religiosität oder demografische Ergebnisse vorherzusagen. Oder auch, ob eine Person Drogen nimmt, welche ethnische Zugehörigkeit sie hat oder wie viele Freunde. Mit 150 Facebook-Likes von Lokalen, Filmen und Büchern kann man zukünftiges Verhalten von Menschen mit höherer Genauigkeit vorhersagen, als es Ehepartner, Freunde und Familienmitglieder können. So definiert, kennt Sie ein sehr einfacher Algorithmus (Handlungsvorgabe für PC und Netzwerke, Anm.) besser als Ihr Mann oder Ihre Frau.

Wissen Maschinen möglicherweise mehr über mich als ich selbst?

Definitiv. Das liegt daran, dass wir nicht ganz einzigartig sind. Wir teilen eine Menge Eigenschaften mit anderen Menschen, folgen bestimmten Verhaltensmustern. Algorithmen können Milliarden Menschen beobachten, die ihrem täglichen Leben nachgehen, einkaufen, lesen, mit ihrer Familie oder Freunden sprechen, in sozialen Medien interagieren, bei Google nach Informationen suchen, Geld über Kreditkarten ausgeben. So können diese maschinellen Lernprogramme das Verhalten von Menschen vorhersagen – viel besser als die Menschen selbst. Denn der Algorithmus hat Tausende andere Menschen gesehen, die ähnlich agieren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.