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Historiker Rutger Bregman: „Vergeudung von Talent ist unsere Tragödie“

„Zusammenarbeit ist die geheime Superpower des Menschen“, sagt Bregman.
„Zusammenarbeit ist die geheime Superpower des Menschen“, sagt Bregman.Lumen Photo / Visum / picturedesk
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Der Historiker Rutger Bregman über das Gute im Menschen, das Grundeinkommen und darüber, dass die Talentiertesten oft unnütze Jobs machen.

Sie sagen, die historische Sichtweise, Menschen hätten ein schlechtes und selbstsüchtiges Wesen, ist falsch. Sie seien grundsätzlich gut. Die Coronapandemie hat zu Einschränkungen geführt, unter denen vor allem Junge und Starke leiden, um vor allem Schwächere zu schützen. Ein Beweis für Ihre These?

Rutger Bregman: Das Lustige ist, dass mich zu Beginn der Pandemie viele gefragt haben, ob ich noch an meine Theorie glaube, weil Menschen in Supermärkten um Klopapier stritten. Die meisten haben sich aber kooperativ verhalten und ihre Lebensweise geändert, sodass die Verbreitung des Virus geringer wurde. Die Menschen geben viel auf, um andere zu schützen. Das ist für mich die Kernbotschaft der Pandemie.

Angesichts der Impfungen hat sich hier aber das Verhalten verändert. Manche schummeln sich nach vorne. Und auch unter den Nationen gibt es Streit, wie jenen zwischen der EU und Großbritannien um mögliche Exportbeschränkungen für Impfstoffe.

Natürlich gibt es immer Einzelne, die nur auf ihren Vorteil schauen. Aber ist das die breite Mehrheit? Und der Streit um Impfstoff ist für mich vor allem ein Zeichen für unser Stammesdenken. Wir Menschen haben seit Jahrtausenden gelernt, freundlich zu anderen Menschen zu sein. Biologen nennen dies inzwischen „Survival of the Friendliest“. Der Mensch hat sich sozusagen selbst domestiziert und wurde konstant vertrauenerweckender. Und Vertrauen ist die Grundvoraussetzung für Zusammenarbeit, die den Menschen so erfolgreich gemacht hat. Allerdings gibt es auch eine andere Seite der Medaille. Und die kommt ins Spiel, wenn die Gesellschaft größer wird. Hier gibt es dann die Bildung von Gruppen und Stämmen. Intern will man dazugehören, extern gibt es aber eine harte Abgrenzung. Zumindest so lang, bis der Fremde einem gegenübersteht. Denn es ist schwerer, zu jemandem unfreundlich zu sein, wenn man ihm in die Augen sieht.

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