Gegengift

Fastenpredigt für die beste aller Welten

Schwarzmalerei? Nicht mit uns! Der Klub der Hedonisten und der Klub der Optimisten einigten sich auf ein Grundsatzprogramm: Wir loben unser Land vor Ostern in den kräftigsten Farben.

Die Fastenzeit dauert diesmal wieder viel zu lang. Schon zwei Tage vorm Palmsonntag gab der Klub der Hedonisten im Gegengift auf und gönnte sich nicht nur Brot, sondern auch Wein zur Redaktionssitzung, die sich exklusiv mit dem Wahren, Guten und Schönen befasste. Ihr Argument, bestärkt durch die offenbar spärlicher werdenden Impfbilder in den TV-Nachrichtensendungen: Jetzt, da das Weltende naht, sind 40 Tage wie ein Tag. Sie erklärten die Osterzeit zum Ausnahmezustand und begannen auf allerlei Personen des öffentlichen Lebens wild zu schimpfen, als wären sie Fundamentalopposition und Regierungskoalition in einem.

Damit konnte sich der wesentlich kleinere und auch recht elitäre Klub der Optimisten nicht abfinden. Seine Mitglieder lasen noch einmal zur Bestätigung ganz genau Voltaires hoch aktuellen Kurzroman „Candide oder der Optimismus“, fanden sich darin in der Figur des gelehrigen Pangloss gut getroffen und sagten die geflügelten Worte: „Alles bleibt bald besser.“ Bisher habe die Menschheit noch jede Apokalypse überstanden, also würden wir auch mit der Suez-, der Klima- und der Impfkrise fertig werden. Lassen wir also das Schimpfen, Shamen und Shitstormen von Menschen, die diese grausame Aufmerksamkeit nicht verdient haben. Setzen wir die Masken auf und denken gefälligst positiv! Dann wird alles zum Wohle der Guten ausschlagen. Die Welt ist nämlich besser als man landläufig glaubt. Darauf konnten sich beide Klubs schließlich in diversen Unterausschüssen und Arbeitskreisen einigen.

Optimismus! Diese Zuversicht kann man für die Skeptiker unter uns auch komplizierter ausdrücken. Optimieren wir uns! „Und zwar nicht bloß für das Ganze im Allgemeinen, sondern auch für uns selbst im Besonderen, wenn wir nämlich dem Urheber des Ganzen nach Gebühr ergeben sind: sowohl als dem Baumeister und der bewirkenden Ursache unseres Seins, wie auch als unserem Herrn und Endzweck, der das ganze Ziele unseres Willens ausmachen muss und allein unser Glück bewirken kann.“

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