Pizzicato

Die Glut

Greber
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Was einer der ersten richtig sonnig-warmen Sonntage seit Monaten und gewisse Prolo-Teenager von der Tankstelle gemein hatten.

Die Glut – das ist jetzt keine intellektuelle Anspielung auf den Roman des großen Ungarn Sándor Márai, sondern zeugt von dem, was das erste echt schöne Wochenende seit Monaten mit mir angerichtet hat.

Erstens im Gesicht: Nach Äonen der Nebel, Wolken und kurzen Tage unterschätzt man die Sonne. Und so endeten einige Stunden Gartenarbeit zwischen Bäumen und Büschen, aus denen das Leben mit aufsteigender Tendenz in Ästen und Trieben grüne, gelbe und rosa Blätter- und Blütenwolken hauchte, in einem Sonnenbrand, verstärkt durch das nachfolgende Picknick auf einer sonnenüberfluteten Waldlichtung mit Salami, Käse, Eiern, Fladenbrot und Bier.

Die andere Glut betraf das Herz. Sonntag am Abend, ein beliebter, goldgrubenmäßiger Tankstellenshop im Bezirk Mödling. Auffallend viele Autos davor, teilweise ineinander verkeilt und auf Parkplätze wartend. Daneben ein Rudel saufender Teenager. Ins Geschäft dürfen wegen Corona an sich nur vier Kunden zugleich, doch stehen gleich einmal mindestens acht vor der Kassa an, weitere pressen sich durch die engen Gänge, speziell von der Partytruppe, sie rempeln dich sogar an. Zwei Meter Abstand? Har Har!

Dann stehen drei dieser Typen vor der Kasse dicht hinter dir, die Länge zweier Bierflaschen vielleicht, man riecht ihre Fahnen, sie kaufen Cola, Captain Morgan und plappern extrem prollig über „die Coronis", die sich vor dem „Scheißvirus" fürchten. Ich warf einem einen finsteren Blick zu, Modell Messerwurf. Stille. Zahlen. Abgang. Hinter mir ihr Spottgelächter.

„Was darf der Mensch? Was soll der Mensch?", fragte die aktuelle „Presse am Sonntag" auf der Titelseite. Nun ja: etwa so nicht sein. Aber das werden diese Deppen von der Tankstelle nie lesen. (wg)

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

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