Coronavirus

Warum Serbien seine Nachbarn zur Gratis-Impfung einlädt

Serbia starts to immunize business people at the Belexpo vaccination centre, in Belgrade
Serbia starts to immunize business people at the Belexpo vaccination centre, in BelgradeREUTERS
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Bosnier, Mazedonier, Montenegriner und Albaner holten sich in Serbien die Impfung ab. Daran wird nun Kritik laut.

Belgrad. Zumindest ein Wochenende lang konnte sich Serbiens Hauptstadt Belgrad wieder wie das Zentrum des zerfallenen jugoslawischen Vielvölkerstaates fühlen. Der ungewohnte Andrang und die endlosen Autokolonnen an den Grenzen zu Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Nordmazedonien gingen mit langen Staus vor Belgrads Messegelände einher. Der Grund für den Drang in die Donaumetropole: Die Aussicht auf eine Coronaimpfung selbst ohne Termin. Es war eine relativ günstige Geste mit großem Effekt: Weltweit flimmerten die Bilder Tausender Albaner, Bosnier, Mazedonier und Montenegriner über den Äther, die sich zur Gratisimpfung in Serbiens Städte Belgrad, Niš oder Novi Sad aufmachten. Viele der rund 22.000 mit AstraZeneca geimpften Bürger aus den Nachbarstaaten bedankten sich vor den Kameras bewegt beim serbischen Präsidenten, Aleksandar Vučić.

Es freue sie, „dass wir solidarisch gewesen sind“, verkündete hernach auch Serbiens Regierungschefin, Ana Brnabić. Sie verwies zudem auf die Missionen Vučićs in die Nachbarstaaten: Persönlich hatte der Meister der Selbstvermarktung in den vergangenen Wochen im Blitzlichtgewitter der Fotografen Impfdosen nach Bosnien und Herzegowina und Nordmazedonien gebracht.  Dies sei „keine Politik“, sagte nun Brnabić: „Wir wollten den Bürgern in der Region helfen.“ Und doch war es nicht nur selbstlose Nächstenliebe, sondern auch pragmatisches Kalkül und das erlahmende Impfinteresse im eigenen Land, das Serbien Tausende aus den Nachbarstaaten zur Impfung laden ließ.

20.000 bis 25.000 Dosen AstraZeneca hätten sonst wegen des ablaufenden Haltbarkeitsdatums Anfang April vernichtet werden müssen, gestand Brnabić ein. „Die Regierung sorgte für Gedränge, weil die Haltbarkeitsdauer des Impfstoffs ablief“, ätzte am Dienstag die Zeitung „Danas“. Zwar gibt es am Sinn der von den unterversorgten Nachbarn genutzten Serumsverwertung kaum Zweifel. Doch trotz des Belgrader Erfolgs regt sich auch Kritik: Die Ärztevereinigung „Vereint gegen Covid“ (UPK) fragt, warum die Impfdosen zur Minimierung des epidemiologischen Risikos nicht einfach den Nachbarn gespendet worden seien. Stattdessen habe Belgrad Zehntausende ausländische Staatsbürger „ohne Überprüfung ihres Gesundheitszustands“ quer durchs ganze Land reisen und vor den Impfzentren für ungekanntes Gedränge sorgen lassen. Von einer „Vorstellung“, die die „Überlegenheit“ von Serbiens Regierung auf dem Balkan demonstrieren solle, spricht der Soziologe Djokica Jovanović gegenüber „Danas“: „Wenn es sich um aufrichtige Solidarität handeln würde, hätte man den Ländern die Impfdosen auch einfach schicken können.“

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