Bräuche

Als das Osterlachen sogar Priesterspflicht war

Am Kreuzweg Führichs in der Nepomuk-Kirche in Wien nahm so mancher Provinzmaler Maß.
Am Kreuzweg Führichs in der Nepomuk-Kirche in Wien nahm so mancher Provinzmaler Maß.(c) Pfarre Heiliger Nepomuk
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Einst sollten Prediger am Ostersonntag die Gläubigen zum Lachen bringen, und nach der Messe spielte man in der Kirche Ball: Über vergessene österliche Rituale.

Welche der vielen, oft vergessenen Osterbräuche taugen dazu, im Jahr zwei der Pandemie wiederbelebt zu werden, um dem Fest Struktur zu geben? Das wahllose Küssen wohl nicht. Osterküsse waren im orthodoxen Raum, aber auch in Polen bis ins 19. Jahrhundert Usus. „Christus ist erstanden“, rief man einander am Ostersonntag zu, „Wahrhaft, er ist erstanden“, lautete der Refrain. Daraufhin wurde geküsst, generations- und familienübergreifend.

Es wurde auch getanzt: In der französischen Kathedrale von Auxerre spielten die Kleriker nach der Auferstehungsfeier im Gotteshaus Ball, tanzten und sangen. Das christliche Ostergeschehen, die Freude über eine vordergründig irrationale Glaubensbotschaft, sollte dem Volk vermittelt werden.

Diese erklärende, veranschaulichende Funktion hatte auch das „Oster-Theater“. In den Kirchen wurden sogenannte „Heilige Gräber“ mit viel szenischem und dramaturgischem Pomp aufgebaut. Adalbert Stifter beschreibt in seinen „Studien aus dem Alten Wien“ diese kunstvollen Aufbauten, die erstmals im Mittelalter errichtet wurden, als viele Gläubige weder lesen noch schreiben konnten. Bis in die Biedermeierzeit pilgerte man am Karsamstag von Kirche zu Kirche, von Grab zu Grab. Stifter: „Da sieht man ganze Familien, ehrbar angezogen, über die Gasse schreiten, Menschen, die das ganze Jahr nicht in die Stadt hereinkommen, verlassen ihre Wohnungen in der entferntesten Vorstadt, um ein oder das andere heilige Grab in der Stadt zu besuchen . . .“.

Das Heilige Grab in Maria Brunn

Mit dem Zweiten Vatikanum allerdings sind die Versatzstücke der Heiligen Gräber oft endgültig in den Rumpelkammern der Sakristeien verschwunden. Das Heilige Grab in der Kirche von Maria Brunn (14. Bezirk) etwa hat überlebt. Allerdings empfiehlt es sich in Corona-Zeiten, sich über Öffnungszeiten zu informiere. Die Jesuiten, die traditionell eine enge Beziehung zum „theatrum sacrum“ pflegten, haben die Krypta der alten Universitätskirche in Wien heuer in der Karwoche geöffnet. Was „wir aufstellen können“, hänge mit den Corona-Bestimmungen zusammen, so Rektor Peter Fritzer. Die Franziskanerkirche in Wien informiert auf ihrer Homepage, wann das dort befindliche Heilige Grab angebetet werden kann.

Das Faszinosum dieser Nachstellungen des Grabes Christi in Jerusalem, eines Brauches übrigens, den Pilger im Mittelalter nach Europa gebracht hatten, lag – wie stets im Theater – am Licht. Die spezielle Aura zog nicht nur das Volk an, sie begeisterte auch Maler. 1900 schrieb Albin Egger Lienz an seine Frau Laura, dass er diese bunten Lichtquellen malen wolle: „Du kennst den Charfreitag in der Kirche wohl auch, wo die farbigen, mit Wasser gefüllten Glaskugeln den dekorativen Altar und das Grab des Heilandes umprangen. In der Kirche ist alles dunkel und da glühen diese Kugeln, hinter welchen Lichter angebracht sind, magisch heraus. ( . . . ) Im Vordergrunde in einer Höhle (unter der Bühne) liegt, von zwei in Holz geschnitzten Soldaten bewacht, der tote Christus.“ Das um 1900/1901 entstandene Stimmungsbild von Egger Lienz hat sich in einem Hälfte-Fragment auf Schloss Bruck erhalten – und kann via Internet eingesehen werden (museum-schlossbruck.at).

Reale Einstimmung auf das Ostergeschehen gibt die Johann-Nepomuk-Kirche in der Praterstraße im Zweiten Wiener Gemeindebezirk. Sie birgt den kunstgeschichtlich interessanten „Referenz-Kreuzweg“ Joseph von Führichs, an dem so mancher „Provinzmaler“ für entlegene Pfarrkirchen malerisch Maß nahm. Hunderte Kopien sind weltweit von Bruck an der Mur bis Amerika aufgelistet: pfarre-nepomuk.at. Führich war ein Meister seines Fachs. Doch seine oft wenig meisterlichen Kopisten sorgten für ein allgemeines „Bewertungsproblem“ dieser Art von Kreuzweg-Kunst. Qualitativ hochwertig oder nicht: Jeder dieser Zyklen zeigt den Gekreuzigten, bei dessen Anblick Kundry, Protagonistin von Wagners „Parsifal“, in ein „verfluchtes Lachen“ ausbrach.

„Heiliges Lachen“ und derbe Späße

Aus dieser rätselhaften Ur-Schuld entspinnt sich der Handlungsfaden von Wagners „Karfreitags-Musiktheaterzauber“, dessen rituelle Aufführungen heuer pandemiebedingt ins Internet verschoben werden müssen. Klassik-Fans können heuer via Streaming dabeisein, sie dürften sogar lachen, wenn sie es im Gegensatz zu Kundry im rechten Moment tun. Der Brauch des „Osterlachens“ wurde erstmals im Jahr 852 erwähnt. Besonders in der Barockzeit war der Priester angehalten, die Gläubigen in der Ostersonntagspredigt zum Lachen zu bringen. Der „Risus pascalis“ sollte ein erleichterndes, ein „heiliges Lachen“ sein, vielleicht im Sinne Nietzsches, der wusste: „Über sich selbst lachen, wie man lachen müsste, um aus der ganzen Wahrheit heraus zu lachen – dazu hatten bisher die Besten nicht genug Wahrheitssinn und die Begabtesten zu wenig Genie“.

Doch auch das Osterlachen war stets umstritten. Schon Erasmus von Rotterdam hatte differenziert: Manche der priesterlichen Späße von der Kanzel aus schienen ihm zu derb. Manche auch zu obszön, wenn es sich um Sünden-Parabeln, das Aufzeigen der Lächerlichkeit von Geiz, Ehebruch und Prahlerei handelte. Die Reformation übte schließlich harsche Kritik an den „liturgischen Einlagen“. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde das Ostergelächter vorübergehend sogar verboten. Heute wäre Einzel-Lachen mit Abstand wohl Lockdown-gemäß. Nicht nur im Sinne einer spirituellen Reinigung: Auch die immunisierende Wirkung des Lachens ist wissenschaftlich erwiesen.

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