Kommentar

Die Verhaberten

Christian Pilnacek
Christian Pilnacek(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Neue Chat-Nachrichten aus dem Bauch des Staates: Sektionschef Christian Pilnacek sorgt sich um „Gernot“ und nennt Ermittlungen der Staatsanwälte „Putsch“. Das kann die Justizministerin so nicht stehen lassen.

Es sind schon wieder ein paar kurze, vermutlich schnell getippte Sätze, die mehr über das Innere des Staatsalltags verraten als ganze Abhandlungen zum Zusammenspiel von Politik und Verwaltung. „Das ist ein Putsch!! Lauter Mutmaßungen, es muss Beschwerde gegen HD eingelegt werden, wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“

HD steht hier wohl für Hausdurchsuchung. Autor der Nachricht ist Sektionschef Christian Pilnacek, er verschickte sie abends am 24. Februar via Signal an Clemens-Wolfgang Niedrist, Kabinettschef von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). 

Kurz zuvor hatten die Ermittler das Finanzministerium mit einer Sicherstellungsanordnung aufgesucht. Zwei Tage später, am 26.2., wurde Blümel von der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigter einvernommen.  Bereits am 11. Februar hatte es eine sogenannte freiwillige Nachschau in Blümels Wohnung gegeben. Es ging dabei um eine Chat-Nachricht aus 2017 wegen „Spende“ und „eines Problems…in Italien“, Absender: der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann.

Was Standard, Profil und ORF nun aufgedeckt haben, ist tatsächlich  mehr als erstaunlich: Ein Spitzenbeamter im Justizministerium berät also einen Kabinettschef des Finanzministers, der ihm zuvor – warum auch immer - die Sicherstellungsanordnung geschickt hat. Und er sorgt sich darum, ob „Gernot“ eh gut auf die Befragung vorbereitet wird, nämlich die Befragung durch jene Staatsanwälte, über die Pilnacek  bis inklusive August 2020 die Aufsicht hatte. Und mit denen er –  zumindest was die WKStA betrifft –  gestritten hatte und deren Ermittlungen er nun als „Putsch“ mit zwei Rufzeichen qualifizierte.

Es kann ja sein, dass man Pilnacek beamtendienstrechlich nichts vorwerfen kann, weil er seit September 2020 nur mehr für die Strafrechtslegistik zuständig ist, aber eben nicht für die Staatsanwälte, auf die er offenbar noch immer wütend ist Zumindest sah der unabhängige Disziplinarsenat  vergangene Woche keinen Grund für eine Suspendierung. 

Doch das Bild vom unabhängigen Spitzenbeamten, der zwar hervorragend vernetzt ist, aber eben nie Teil eines bestimmten Netzwerks sein wollte, ist kaum mehr  aufrecht zu erhalten. Es bröckelt - und das schon eine Weile. Es verläuft eine Linie zwischen geschmeidiger Leutseligkeit und Verhaberung. Sie ist - wir sind immerhin in Österreich - sehr fein, aber sie ist da. Und die Liste seiner Auffälligkeiten im türkisen Graubereich ist mittlerweile lang.

Das Justizministerium kann die Entscheidung des Disziplinarsenats beeinspruchen. Nimmt die Justizministerin ernst, wofür die Grünen stehen, kann sie eigentlich nicht anders. Auch wenn das den nächsten Koalitions-Konflikt bringt. Böse SMS vermutlich inklusive.

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