Leitartikel

Behandelt uns bitte nicht wie kleine Kinder

Warum sagt man uns Bürgern ständig wie kleinen Kindern, dass bald alles gut sein werde?
Warum sagt man uns Bürgern ständig wie kleinen Kindern, dass bald alles gut sein werde?(c) imago images/Westend61 (Valentin Weinh�upl via www.imago-images.de)
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Der Vergleich Ostern 2021 mit 2020 zeigt: Zu oft wird uns „Alles wird gut“ suggeriert. Wenn, dann gelingt die Rückkehr den Bürgern besser als der Politik.

Ob Politiker in Schönwetter- und Friedenszeiten weniger gut oder schlecht sind, bietet genug Stoff, Zeitungen und das Netz zu füllen; ob sie in der Krise die richtigen oder falschen Entscheidungen fällen, entscheidet über Menschenleben. Die wissenschaftliche und historische Beurteilung der vergangenen beiden und künftigen Monate wird wichtig für die künftige Führung von Ländern (und Unternehmen) sein. Was war richtig? Was war völlig überzogen? Was kam aus Angst vor negativen wirtschaftlichen und politischen Folgen zu spät? Das betrifft nicht nur Ischgl, sondern auch Wien, Rom, Stockholm, Paris und Washington. (. . .) Österreich und fast alle Länder der Welt hätten besser vorbereitet sein können, es gab Warnungen vor solchen Risken.“

Das stand in meinem Leitartikel zu Ostern 2020. Ich wünschte, es hätte sich an diesem Befund etwas geändert. Im Gegenteil: Aus den „vergangenen beiden Monaten“ wurde mehr als ein Jahr. Mittlerweile wissen wir, dass die Verantwortlichen schwere Fehler begangen haben, teils aus verständlicher Überforderung, teils aus Angst vor unpopulären Maßnahmen, teils wegen eines Zustands zwischen Erschöpfung, Frustration und Agonie, die nicht nur die politische Kaste erfasst hat.
Vor einem Jahr glaubten wir an einen „normalen“ Sommer, es wurde ein zu normaler Sommer. Es folgten ein sorgloser Herbstbeginn und eine zweite Welle, die uns eine bis heute andauernde Lockdown-Serie bescherte. Gäbe es keine Mutationen mit höheren Ansteckungsraten, wäre Ostern 2021 schon viel entspannter. Doch genau vor dieser Veränderung haben Experten gewarnt. Warum hat man nicht auf sie gehört und schon früher kurz und hart verschärft? Warum wurde die Anzahl der Intensivbetten nicht massiv erhöht? Warum entschied ein Beamter über den Einkauf der Impfstoffe und traf offenbar die falsche Auswahl – und nicht etwa die politisch Verantwortlichen?

Und nicht zuletzt: Warum sagt man uns Bürgern ständig wie kleinen Kindern, dass bald alles gut sein werde? Seit Ostern 2020 wird uns dauernd suggeriert, es sei bald vorbei. Nun wird der Sommer 2021 von Kanzler und Gesundheitsminister als unbeschwerte Rückkehr in das alte Leben genannt: Das wird es aber nicht. Ja, es werden viel mehr Menschen geimpft sein, aber ein normaler Sommer kann das noch nicht werden. Und: Zu glauben, das Virus sei bald ausgerottet und Impfungen gegen alle Mutationen für alle vorhanden, wäre leider auch naiv.
Nur hier ist der Grippe-Vergleich zulässig: Covid bleibt und verändert sich Jahr für Jahr. Das wird unsere Lebensweise ändern. Aber darauf sollten wir uns vorbereiten. Das gilt auch für den wirtschaftlichen und finanzpolitischen Wiederaufbau. Die Zeit des Geldregens wird abrupt enden, die Rückkehr auf einen vergleichsweise sparsamen Budgetpfad wird notwendig sein. Die Verteilungskämpfe um das dann Wenige werden lauter und härter sein als in den vergangenen Schönwetterjahren.

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