Neue Doku

„Framing Britney Spears“: Die Entmündigung eines Popstars

Felicia Culotta
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Die Doku, ab Montag auf Amazon, heizte in den USA die Proteste gegen die Vormundschaft der Sängerin an. Vor allem wirft der Film Blitzlichter auf die sexistischen Boulevardmedien der 2000er-Jahre.

Man habe natürlich auch Britney Spears selbst zu einer Stellungnahme eingeladen, ist am Ende der von der „New York Times“ produzierten Doku „Framing Britney Spears“ zu lesen. Und dass nicht klar sei, ob die Anfrage den Popstar jemals erreicht hat: Um den Zustand der erfolgreichsten Sängerin der 2000er-Jahre herrscht nämlich seit Monaten Ungewissheit und Aufregung. Unter dem Motto #FreeBritney setzen sich Fans lautstark für die Befreiung der 39-Jährigen aus der Vormundschaft ihres Vaters ein. Seit 2008 kontrolliert dieser ihre beruflichen und persönlichen Entscheidungen, ihre Finanzen. Vor Gericht scheiterte Spears bisher daran, ihm die Vormundschaft zu entziehen. Auf ihrem Instagram-Account gibt sie sich – in teilweise recht bizarren Postings – betont lebensfroh. Fans wollen darin verstecke Botschaften und Hilfeschreie herauslesen: Ist Britney Spears eine Gefangene? Andere zweifeln: Hat sie überhaupt die Kontrolle über ihre eigenen Social-Media-Accounts?

The New York Times Company

Handfeste Erkenntnisse diesbezüglich fördert die Doku, die bei ihrem Erscheinen in den USA im Februar die Proteste weiter befeuert hat und die ab Montag auch hierzulande im Amazon-Abo zu sehen ist, nicht zutage. Aber sie zeichnet recht eindrücklich die Karriere und den von Paparazzi nicht nur begleiteten, sondern – so suggerieren viele Szenen – aktiv vorangetriebenen Fall einer Frau nach, die noch als Teenager zum größten Pop-Phänomen ihrer Zeit wurde. Deren offizielle Entmündigung setzt der Film in Zusammenhang mit einer medialen Drangsalierung, die schon viel früher begann und die zutiefst sexistisch geprägt war.

Großes Thema Jungfräulichkeit

Es ist kaum vorstellbar, dass einem heutigen Popstar bei Pressekonferenzen solche Fragen gestellt würden - nach ihren Brüsten, ihren romantischen „Fehlern“ (Was habe sie Exfreund Justin Timberlake nur angetan?) und ihrer Sexualität. Ob sie noch Jungfrau sei, will eine Reporterin vor versammelter Presse wissen. Spears antwortet, was – gemäß ihrem Image als unschuldiges Südstaaten-Mädchen – von ihr erwartet wird: dass sie bis zur Ehe warten wolle. In einer anderen Szene wird Timberlake gefragt, ob er mit Spears geschlafen habe. Auch er antwortet zufriedenstellend – mit einem triumphierenden „Ja“.

Neben Interviews mit Menschen, die Spears aus der Ferne analysieren (als einzige persönliche Wegbegleiterin kommt eine Assistentin zu Wort), speist sich die Doku aus Archivmaterial – und ebenjenen Aufnahmen, die das mediale Bild von Spears prägten. Damit lebt die Doku selbst von der voyeuristischen Kultur, die sie verurteilt. Ein Paparazzo, der Jagd auf den Popstar machte, lehnt auf Nachfrage jede Verantwortung ab: Spears hätte die Fotografen nur bitten müssen, von ihr abzulassen. Ihr explizites „Nein“ war damals nichts wert – und ist es auch wohl heute nicht: Sie fühle sich durch die Doku beschämt, schrieb sie auf Instagram. #FreeBritney geht indessen weiter – und der Prozess um ihre Vormundschaft auch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2021)

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