Biophysik

Wie von Zauberhand bewegt: Lichtstrahlen dehnen Zellen

Holografische Kraftmessung an einem roten Blutkörperchen.
Holografische Kraftmessung an einem roten Blutkörperchen. [ MUI/G. Thalhammer ]
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Optische Pinzetten halten im Labor rote Blutkörperchen und andere kleinste Teilchen ohne Berührung fest. Ein Forschungsteam der Med-Uni Innsbruck verbesserte die Technologie so, dass Zellen an mehreren Stellen gleichzeitig gehalten und vermessen werden können.

Hologramme kennen Science-Fiction-Fans als Personen oder Dinge, die durch reine Lichterscheinungen real anmuten. Dass es echte Holografien gibt, mit denen man sogar arbeiten kann, wissen nur die wenigsten. Nicht nur in quantenoptischen Laboren werden Energie und Impuls, die in Lichtstrahlen stecken, zur Messung von Atomen und ihrer Bestandteile genutzt. Auch in der Biophysik helfen Laserstrahlen, Dinge zu erkunden, die für die Wissenschaft bisher im Dunklen lagen.

Optische Pinzetten nennt man die Werkzeuge im Labor, die kleinste Teilchen wie von Zauberhand ohne Berührung halten und bewegen. Fachlich gesprochen: holografische Laserpinzetten. Das Team um Gregor Thalhammer am Institut für Biomedizinische Physik der Med-Uni Innsbruck tüftelt seit vielen Jahren daran, wie Lichtstrahlen und Lichtstreuung kleine Partikel wie Zellen oder Mikroorganismen vermessen können. „Große Objekte kann man damit nicht bewegen, aber im Mikrometer-Bereich, also bei Tausendstelmillimetern, klappt das sehr gut“, sagt Thalhammer, dessen Projekt im Labor für Biomedizinische Laseranwendungen vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird.

Wie ein Wasserstrahl

„Das Probenteilchen schwimmt in einer Flüssigkeit im Mikroskop, und der fokussierte Laserstrahl hält es fest“, erklärt er. Nimmt man einen zweiten Laserstrahl dazu, kann man das Teilchen ziehen und dehnen. Als Versuchsteilchen dienen in Innsbruck meist rote Blutkörperchen: Sie sind wenige Mikrometer klein, rund und dehnbar. „Trifft der Lichtstrahl mit seinen Photonen auf das Teilchen, wird der Strahl abgelenkt und dabei eine Kraft übertragen“, sagt Thalhammer.

Er vergleicht es mit einem Fußball oder Wasserstrahl, dessen Kraft wir spüren, wenn er uns trifft und abgelenkt wird. Die optische Laserpinzette kann das Versuchsteilchen also nicht nur festhalten und dehnen, sondern zugleich die Kräfte messen, die genau bei diesen mechanischen Belastungen entstehen.

„Diese mechanischen Eigenschaften sehen wir auf einer Mikroskala: Je weicher eine Zelle ist, desto verformbarer ist sie.“ Daher sind die Messmethoden auch in der Krebsforschung erprobt: Bösartige Tumorzellen sind oft deutlich weicher und beweglicher als gesunde Zellen – nicht zuletzt ein Grund, warum Tumorzellen wandern und metastasieren können.

Vier Laserpinzetten zugleich

Nun hat das Team der Med-Uni Innsbruck, allen voran die Dissertantin Franziska Strasser, die Methode weiterentwickelt: Die roten Blutkörperchen werden gleichzeitig mit vier Laserpinzetten gehalten. „Dadurch können wir das Probenteilchen drehen, drücken und ziehen, als ob Sie mit vier Fingern einen Gegenstand in der Hand halten“, erklärt Thalhammer. Welche Kräfte dabei wirken, zeigen spezielle Interferenzen an, die sich abseits des Laserstrahl-Fokus ergeben. Sich überlagernde Lichtstrahlen führen zu ganz bestimmten Mustern: Die Veränderung des Musters zeigt an, wie das Licht abgelenkt wurde. „Daraus messen wir, wie stark die Kräfte an welcher Stelle wirken“, sagt Thalhammer.

Die einzelnen Laserpinzetten können auch gleichzeitig je ein Versuchsteilchen halten, messen und alle Krafteinwirkungen sofort sichtbar machen. Ganz egal, welche Form und Größe das Teilchen dabei hat. Das ist gerade bei biologischen Systemen wichtig, denn keine Zelle gleicht der anderen, jeder Mikroorganismus ist einzigartig. „Mit der Methode kann man alle Formen messen, ohne zuvor aufwendig die Geräte kalibrieren zu müssen. Das ist universell einsetzbar“, sagt Thalhammer.

Auch ins Innere der Zellen

Die Technik wurde nun im Journal Optica publiziert und eröffnet unzählige Möglichkeiten, Zellen und andere mikrometerkleine Objekte in größerer Zahl gleichzeitig zu untersuchen.

Eine Idee des Teams der Med-Uni Innsbruck zielt auf das Innere von Zellen ab, auf DNA-Stränge. „Es gibt eine Forschungsgruppe in Amsterdam, die mit optischen Pinzetten DNA untersucht“, sagt Thalhammer. Er findet die Frage spannend, ob die neue Methode es schaffen kann, die zwei DNA-Stränge an ihren vier Enden zu packen, um alle Kräfte zu messen, die etwa bei der Zellteilung und Verdoppelung der Erbinformation auftreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2021)

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